"Trockenes Feld": Kurt Palm über seine Familiengeschichte

Kurt Palm schrieb ein Buch über seine Familie
Kurt Palms Romane sind bestimmt von Überzeichnung und Überdrehung, der Lust an Klamotte und Horror. Der Wahnsinn des Alltags kann nur erkannt werden, wenn man ihn auf die Spitze treibt, könnte die Grundprämisse seines Schreibens lauten. Ganz anders liest sich sein neues Buch. "Trockenes Feld" widmet sich der eigenen Herkunft und Familiengeschichte. Die ist voller Ungewissheiten. Gewiss ist nur: Die Palms hatten es nicht leicht. Mit ihren Lebensumständen - und mit ihrem Sohn.

"Trockenes Feld" wirkt wie der umfangreiche Materialienband seiner "Strandbadrevolution", mit der der Autor und Regisseur 2017 seine Jugendzeit in Vöcklabruck Revue passieren ließ. Damals rebellierte der 1955 Geborene gegen alles, was seinen aus Slawonien vertriebenen und Ende des Zweiten Weltkriegs in der oberösterreichischen Provinz gestrandeten Eltern wichtig war. Ständige Schuldgefühle gegenüber ihnen, die ihren zum langhaarigen Jungkommunisten gewordenen Sohn nie verstanden, aber immer zu ihm hielten, begleiten diese Introspektion und Geschichtsaufarbeitung in eigener Sache ebenso wie Zitate aus Schulheften, Tagebüchern, behördlichen Schriftstücken und Mitteilungsheften. Höhepunkt dieses Stranges ist ein Interview mit sich selbst.

Gleichzeitig - und dramaturgisch nicht immer schlüssig miteinander verbunden - betreibt Palm familiäre Spurensuche. Manches der eigenen Herkunftsgeschichte war ihm bekannt, vieles kommt bei den Recherchen neu zutage, und so mancher Widerspruch zwischen dem Erzählten und dem in Dokumenten Festgehaltenen erweist sich als kaum auflösbar. Gesichert ist, dass die Geschichte der Familie Palm eine lupenreine Vertriebenengeschichte ist, und vielfach belegt ist dabei auch, dass sich mancher Start-Nachteil ins Leben selbst bei maximaler Aufopferungsbereitschaft kaum wettmachen lässt. "Ich fühlte mich allerdings nicht als Kind von Flüchtlingen, sondern als Kind ganz normaler Eltern", räumt der Hilfsarbeitersohn, der die Universität abschließen wird, freilich ein. "Dass sie einen komischen Dialekt sprachen, spielte für mich keine Rolle."

Die Nachkommen der Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem von Hungersnöten geplagten Baden-Württemberg Aus- und im nach den Türkenkriegen entvölkerten Slawonien Angesiedelten geraten als "Volksdeutsche" im Kroatien der NS-Zeit in eine tödliche Zwickmühle zwischen Ustascha-Regime und Partisanen. 1943 müssen sie ihre Höfe in Kapan (der Ort "gehörte zum Dorf Suhopolje, was auf Deutsch so viel heißt wie: "Trockenes Feld") verlassen, um von der Wehrmacht "heim ins Reich" geleitet zu werden - wo freilich niemand auf sie wartet und die Anfeindungen gegen die Flüchtlinge groß sind.

Palms Vater wird noch als 18-Jähriger eingezogen, um am Balkan und in Frankreich gegen Partisanen eingesetzt zu werden. Ob sein Vater, der die Auskunft über Erlebnisse im Krieg weitgehend verweigerte, als Mitglied einer SS-Polizeitruppe Schuld auf sich geladen hat, ist später eine der größten Sorgen des Sohnes.

"Trockenes Feld" lässt nichts aus, Gespräche mit Verwandten und Bekannten, eine Reise in das einstige Heimatdorf seiner Eltern, Archivrecherchen - aber auch die Auseinandersetzung mit einem weiteren belastenden Teil der Familienbiografie, dem Selbstmord seines Bruders. Das Buch, eigentlich als Roman ausgewiesen, scheint wenig fiktionalen Anteil zu haben, wirkt dafür stellenweise so persönlich, fallweise auch therapeutisch, dass die Lektüre einem mitunter wie die Überschreitung intimer Grenzen anmutet. "Jede Familie hat ihr Lebensthema", schreibt Palm. "Bei der einen Familie ist es die Arbeit, bei der anderen der Alkohol, bei der dritten der Suizid, bei der vierten der Verlust. In meiner Familie war von allem etwas dabei."

(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Kurt Palm: "Trockenes Feld", Leykam Verlag, 304 Seiten, 25,50 Euro)

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