"Trog"-Regisseurin Hochleitner: "Manchmal passt es perfekt"
War es im 2014 erschienenen "In der Kurve" noch die Geschichte ihres Vaters, von dem zwei Brüder im Zweiten Weltkrieg von der Gestapo erschossen worden sind, hat sich Hochleitner nun der Familie ihres ältesten Onkels Hans zugewandt. Er hat Theresia geheiratet, die bereits vier Kinder aus erster Ehe mitbrachte. Ihr Mann war als Deserteur hingerichtet worden, sie selbst kam für einige Monate ins Konzentrationslager. Mit Hans sollte sie zehn weitere Kinder bekommen, aber gerade das Schicksal der vier Ältesten habe sie sehr bewegt und interessiert, so Hochleitner.
"Ich wusste aber nicht, wie ich die Geschichte erzählen kann oder wie sie ausschauen wird", erinnerte sich die Regisseurin im APA-Gespräch. "Es ging mir zunächst um die zweite Generation, meine Generation. Die Kinder von meinem Onkel Hans sind auch alle nach dem Krieg geboren." Der Fokus richtete sich schließlich auf die gesamte Familie, nicht zuletzt weil es bei den ältesten Kindern einen gewissen Widerstand gab, über die damalige Zeit und ihr Aufwachsen in Trog zu sprechen. "Sie wussten zwar, dass ich es bin und einen anderen Umgang mit der Sache habe. Sie hatten in diesem Sinne also Vertrauen zu mir. Aber wie so oft hieß es: 'Jetzt muss es einmal reichen, Gras darüber wachsen. Wen interessiert das noch?' Ich wusste, dass ich so nicht weiterkomme."
Der Schlüssel war letztlich das mittlerweile leer stehende Haus selbst. Mit jenen elf Cousinen und Cousins, die sich zu Gesprächen grundsätzlich bereit erklärten, habe sie einfach das Gebäude betreten und sie dort erzählen lassen. "Ich kannte das Haus nur marginal, bin immer nur durch den langen Flur in die Küche gegangen, wo mein Onkel saß." Das Gebäude habe ihr auch Respekt abgerungen. Als der älteste Sohn Theresias dann einem Rundgang durch die Zimmer zustimmte, habe das die Richtung des Films vorgegeben. "Nun ist es ziemlich chronologisch, wie die Leute ins Haus gehen", erklärte Hochleitner. Besonders für die Frauen sei die Begegnung mit dem früheren Zuhause eine sehr emotionale Angelegenheit gewesen, während die Männer die Gespräche eher an der Oberfläche hielten.
Stets habe es dabei nur einen Besuch gegeben. "Es hätte keinen Sinn gemacht, noch mal hinzugehen und irgendwo nachzuhaken. Da hätte es an Natürlichkeit gefehlt und ich hätte es auch als unangebracht wahrgenommen. Meiner Erfahrung nach kommen die Erinnerungen, und man muss sie so zulassen", betonte die Filmemacherin. "Diesen Überraschungsmoment gibt es nur einmal." So sei jeder Zugang ein sehr persönlicher und individueller gewesen. "Das ist auch das Schöne am Dokumentarfilm: die Intuition und der Zufall, der sich ergibt. Manchmal passt es perfekt."
Der Film behandelt auch das Schicksal ihrer Cousine, die Hans mit seiner Stieftochter gezeugt hat. Ein offenes Geheimnis, über das nie wirklich gesprochen wurde. "Ich kannte meinen Onkel, habe ihn auch geschätzt als den trockenen und pragmatischen Menschen, der er war. Aber wahrscheinlich musste er sterben, ehe man diese Geschichte erzählen konnte", meinte Hochleitner. "Ich wusste diese Sachen, wusste, dass es diese Cousine gibt - aber die genauen Beziehungen kannte ich nicht." Mit den 14 Kindern sei das Haus auch in gewisser Weise undurchschaubar gewesen für sie. Mit ihrer Cousine habe es nun aber sofort eine Vertrauensbasis gegeben, "obwohl wir uns nicht wirklich kannten". Die Stieftochter sei das Opfer ihres Onkels gewesen, aber was bedeute dies für die Tochter? "Meine Cousine hat ihren Vater ja geliebt. Wie soll man mit diesem zweischneidigen Schwert umgehen? Du kannst deinen Vater nicht verdammen, musst es aber auch zulassen, dass er diese Verbrechen oder Übertretungen begangen hat."
Ein zentraler Charakter des Films, der am 22. August im Wettbewerb des Festivals Der neue Heimatfilm in Freistadt gezeigt wird, ist letztlich auch das Haus selbst. "Es ist wie eine Momentaufnahme. Es stehen Dinge herum, als wären die Leute, die da gewohnt haben, nur kurz weggegangen und nie wiedergekommen", so Hochleitner. "Da liegt noch Bettwäsche, Geschirr, einfach Alltagsgegenstände - total alte, aber auch aus meiner Kindheit. Das fand ich schön, fast ein bisschen heimelig." So sei der Film "auch ein bisschen ein Tribut dem Haus gegenüber. Ein Dokument, das bleibt für die Leute, die nachher kommen."
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - https://dimdimfilm.com/project/trog/; www.filmfestivalfreistadt.at)
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