APA - Austria Presse Agentur

Tunesien: Abstimmung über umstrittenen Verfassungsentwurf

In Tunesien haben Montag früh die ersten Wähler über eine neue Verfassung abgestimmt.

Der Verfassungsentwurf gilt als äußerst umstritten, weil der Präsident künftig mehr Macht erhalten soll - zulasten von Parlament und Justiz. Die Einführung einer neuen Verfassung ist Teil eines von Präsident Kais Saied vorangetriebenen politischen Umbaus. In den Wahllokalen der Hauptstadt Tunis war am Morgen zunächst wenig los. Umfragen deuteten auf eine geringe Wahlbeteiligung hin.

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Tunesien war nach den Aufständen des "Arabischen Frühlings" ab 2010 als einziges Land der Wandel zur Demokratie gelungen. Kritiker werfen Saied vor, das nordafrikanische Land nun wieder in eine Diktatur zurückführen zu wollen. Die Opposition ruft zum Boykott des Referendums auf. Sie betrachtet den gesamten Prozess als illegitim. Das Verfassungsreferendum wird auch als Abstimmung über Saieds bisherige Führung angesehen.

Arbeit des Parlaments eingefroren

Genau vor einem Jahr - am 25. Juli 2021 - hatte der frühere Jurist Saied seine Macht gefestigt. Er setzte den damaligen Regierungschef ab und fror zunächst die Arbeit des Parlaments ein. Später löste er es ganz auf. Der Präsident entließ außerdem dutzende Richter aufgrund mutmaßlicher Korruption.

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Entscheidungen per Dekret durchgeführt

Der Verfassungsentwurf sieht vor, dass der Präsident unter anderem die Regierung sowie Richter ernennen und entlassen darf. Bisher setzte Saied viele solcher Entscheidungen per Dekret durch. Er betrachtet die bisherige Verfassung des Landes eigenen Angaben zufolge als nicht mehr gültig.

Die neue Verfassung tritt bei einfacher Mehrheit für den Entwurf unabhängig von der Wahlbeteiligung in Kraft. Mehr als neun Millionen Tunesier sind zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahllokale sind bis 22.00 Uhr (Ortszeit/23.00 Uhr MESZ) geöffnet. Mit ersten Ergebnissen wird in den kommenden Tagen gerechnet.