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Russische Reporterin protestiert live im TV gegen Ukraine-Krieg

Eine russische TV-Reporterin sorgte mit einem Live-Protest in der abendlichen Hauptnachrichtensendung des staatlichen russischen Fernsehsenders Kanal 1 für Aufsehen.

Während der Live-Übertragung am Montag um 21.00 Uhr Moskauer Zeit (19.00 Uhr MEZ) sprang die Frau plötzlich hinter Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa ins Bild und hielt ein Schild mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen" hoch.

Dazu rief sie mehrmals laut: "Nein zum Krieg, Nein zum Krieg, Nein zum Krieg!" Anschließend brach die Übertragung ab und es wurden Bilder aus einem Krankenhaus gezeigt. In Russland ist es Medien verboten, den russischen Einmarsch in die Ukraine als "Krieg" oder "Invasion" zu benennen. Stattdessen ist offiziell von einer "militärischen Spezialoperation" die Rede. Der außergewöhnliche Protest fand am 19. Tag des Kriegs statt, der mit dem Einmarsch des russischen Militärs in die Ukraine am 24. Februar begonnen hat.

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Russische Oppositionelle loben Reporterin

Vor allem russische Oppositionelle lobten die Frau für ihren Mut. "Was Mut wirklich bedeutet", twitterte der Pianist Igor Levit. Auch der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny begrüßte die Aktion. Seine Sprecherin Kira Jarmisch twitterte: "Wow, das Mädchen ist cool." Jarmisch lud das Video hoch, das sich in kürzester Zeit mehr als 2,6 Millionen Menschen ansahen.

Medienberichten zufolge handelt es sich bei der Frau um eine Mitarbeiterin des Staatsfernsehens, die ihre Protestaktion zuvor in sozialen Netzwerken angekündigt haben soll. Als Begründung soll sie angegeben haben, dass ihr Vater Ukrainer und der Krieg gegen das Nachbarland ein "Verbrechen" sei, für das Kremlchef Wladimir Putin verantwortlich sei. Sie soll demnach festgenommen worden sein. Kanal 1 sprach in einer Mitteilung lediglich von einem "Vorfall" während der Sendung "Wremja" und kündigte eine interne Prüfung an. Das Staatsfernsehen ist die Hauptnachrichtenquelle für viele Millionen Russen und hält sich streng an die Kreml-Linie.

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TV-Reporterin veröffentlicht eigenes Video

Marina Owsjannikowa hat nun ein Video aufgenommen, in dem sie ihre politische Position erklärt. Sie trägt darin eine Kette mit den Farben der Flaggen Russlands und der Ukraine und nimmt unter anderem Bezug auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 sowie die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny.

 

Der Wortlaut des im Netz verbreiteten Videos in einer dpa-Übersetzung: "Das, was jetzt in der Ukraine geschieht, ist ein Verbrechen. Und Russland ist der Aggressor. Und die Verantwortung für diese Aggression liegt nur auf dem Gewissen eines Menschen – und dieser Mensch ist Wladimir Putin.

Mein Vater ist Ukrainer, meine Mutter ist Russin – und sie waren nie Feinde. Diese Kette an meinem Hals ist wie ein Symbol dafür, dass Russland den Bruderkrieg sofort stoppen muss und unsere Brudervölker sich noch versöhnen können. In den vergangenen Jahren habe ich leider beim Ersten Kanal gearbeitet und mich mit Kreml-Propaganda beschäftigt. Ich schäme mich jetzt sehr dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass vom TV-Bildschirm gelogen wurde. Ich schäme mich dafür, dass ich zuließ, dass Russen in Zombies verwandelt wurden.

Wir haben 2014 geschwiegen, als das alles anfing. Wir sind nicht für Demonstrationen rausgekommen, als der Kreml Nawalny vergiftet hat. Wir haben dieses menschenfeindliche Regime einfach nur stillschweigend beobachtet. Jetzt hat sich die ganze Welt von uns abgewendet. Und noch zehn Generationen unserer Nachfahren werden sich von der Schande dieses Brudermord-Krieges nicht reinwaschen können.

Wir, die russischen Menschen, können denken und sind klug. Es liegt nur an uns, diesen ganzen Wahnsinn zu beenden. Geht demonstrieren. Fürchtet nichts. Sie können uns nicht alle einsperren."