Umfrage zu Artenschutz zeigt große Parteien-Unterschiede
"Es ist wissenschaftlich unstrittig und auch in Österreich ein Faktum, dass wir in einer Biodiversitätskrise leben, wo der Artenverlust stark voranschreitet", sagte Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien: "Die kommende Legislaturperiode (der nächsten Bundesregierung, Anm.) reicht knapp bis zum Jahr 2030, dann muss laut Nationaler Biodiversitätsstrategie und internationalen Vereinbarungen schon ein starker Fortschritt zum Stopp des Artenverlusts sichtbar sein."
Wissenschafter des Biodiversitätsrates schickten den derzeitigen Nationalratsparteien (ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS) einen Fragenkatalog, ob und wie sie fachlich wichtige Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt und Natur umsetzen würden, wenn sie nach der Wahl eine Regierungspartei wären.
Die bei der vorangegangenen Nationalratswahl (2019) stimmenstärkste Partei - die ÖVP - "reagierte trotz mehrfacher Nachfrage nicht", so die Experten: "Die Kanzlerpartei gewährt damit leider keine Einsicht auf ihre Ideen, Lösungswege und Absichten im Umgang mit der Biodiversitätskrise". "Wir haben uns natürlich auch das 270 Seiten lange Wahlprogramm dieser Partei angesehen", berichtete Essl: "Die Worte 'Naturschutz' und 'Biodiversität' waren darin nicht zu finden." Dies zeige den Stellenwert, den jene Partei diesen Lebensgrundlagen der Menschen in Österreich einräumt.
Umfangreiche Antworten und zahlreiche konkrete Vorhaben übermittelte dem Biodiversitätsrat hingegen die zweitplatzierte SPÖ. Zum Beispiel einen Biodiversitätscheck für neue Gesetze, dass man die Renaturierungsverordnung der EU rasch umsetzen würde und eine Biodiversitätsmilliarde budgetieren würde. Naturschutz einheitlich zur Bundes- statt Ländersache erklären, würde die SPÖ aber nicht.
Nur wenig substanzielle Auskünfte habe man von der FPÖ bekommen. Von ihr wäre wohl eine "Weitermachen wie bisher"-Strategie zu erwarten, erklärte Essl. Die Partei bekenne sich zwar generell zu verstärktem Umwelt- und Naturschutz, lehne aber beispielsweise die "aus wissenschaftlicher Sicht ausgesprochen wichtige" EU-Renaturierungsverordnung ab.
Die Grünen ließen "das deutlichste und umfassendste Bekenntnis zu einer starken Biodiversitätspolitik erkennen", sagte Andreas Tribsch vom Fachbereich Umwelt und Biodiversität der Universität Salzburg: "Sie haben viele wirksame Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt ausgearbeitet", würden eine Biodiversitätsmilliarde locker machen, die EU-Renaturierungsverordnung umsetzen und ein Biodiversitätsforschungsprogramm fördern.
Auch die NEOS hätten umfangreiche Antworten retourniert und darin viele Maßnahmen genannt: Zum Beispiel die Rolle des Bundes gegenüber den Ländern im Naturschutz zu stärken und Forschung sowie Monitoring über den Artenvielfaltsverlust zu forcieren. "Auch Moore haben die NEOS aktuell wohl sehr gerne, wie aus den Antworten hervorgeht", sagte Tribsch. Eine Milliarde Euro würden sie dem Biodiversitätsschutz jedoch nicht so ohne Weiteres spendieren.
Anhand der Antworten befürchten die Artenschutz-Experten bei einer Regierungsbeteiligung der FPÖ "einen Rückschritt", vor allem bei den Grünen und der SPÖ hingegen "große Schritte in Richtung der Sicherung von Biodiversität und Lebensgrundlagen". Die ÖVP sei nicht einzuschätzen. "Wir erwarten, dass auf jeden Fall im nächsten Regierungsprogramm Biodiversität und Artenvielfalt prominent enthalten sein müssen", so Tribsch: "Nur auf diese Weise lässt sich der Schutz der Lebensgrundlagen für die Menschen in Österreich sichern."
(S E R V I C E - Die Antworten der Perteien im Wortlaut: http://shorturl.apa.at/cgi-bin/SuMgr)
Kommentare