APA - Austria Presse Agentur

Umsichtige Richterin bringt Grasser-Verfahren zum Urteil

Richterin Marion Hohenecker hat als Vorsitzende des Schöffensenats den Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 14 weitere Angeklagte rund um Korruptionsverdacht bei der Bundeswohnungsprivatisierung und weitere Causen fast drei Jahre lang geleitet. War die Richterin zu Prozessbeginn im Dezember 2017 noch Ziel von Befangenheitsanträgen der Verteidiger von Grasser und Walter Meischberger, so wurde sie zum Ende der Hauptverhandlung geradezu mit Lob überschüttet.

Zum Ziel der Angriffe der Verteidiger von Grasser und Meischberger wurde die 39-jährige Richterin schon vor Beginn der Hauptverhandlung durch Tweets ihres Ehemanns, der sich früher auf Twitter kritisch über Grasser geäußert hatte. Man könne die Meinung eines Ehemanns nicht einer Richterin umhängen, das entspreche nicht dem Zeitgeist, verkündete die Vorsitzende des Schöffensenats trocken, und wies die Befangenheitsanträge gegen sie ab.

Die ruhige Verhandlungsführung der Juristin, die stets perfekt vorbereitet war und die Übersicht über einen riesigen Gerichtsakt und gleich drei in einem Mega-Prozess zusammengefasste Anklagen bewahrte, prägte den Mega-Korrruptionsprozess. Frau Rat ließ die Verteidiger und die Beschuldigten ausreden, auch wenn deren Vorträge oft viele Stunden dauerten und sie inhaltlich sehr weit ausholten. Hohenecker ließ sich dabei nicht anmerken, was sie von den Ausführungen hielt. Manchmal allerdings stellte sie dann nachher gezielte Fragen und hakte nach. Zwischenrufe empörter Verteidiger oder Angeklagter versuchte sie von Anfang an zu unterbinden.

Der Erstangeklagte Grasser vermerkte in seinen letzten Worten anerkennend, dass die Richterin sogar das Datum seines Hochzeitstages besser als er wisse, weil sie das von ihm genannte falsche Datum sofort korrigierte. Zum Glück sei das bei ihm zu Hause nicht aufgefallen, scherzte er. Das Schöffengericht, und insbesondere dessen Vorsitzende, hätten ihm das Vertrauen in die Justiz wieder zurückgegeben, das er im Ermittlungsverfahren verloren hätte.

Während ein Belastungszeuge von einem "abgekarteten Spiel" bei der Bundeswohnungsprivatisierung sprach, ließ sich die Richterin in dem nun fast drei Jahre dauernden Prozess selber nicht in die Karten schauen. Auch medial blieb sie völlig zurückhaltend - ein großer Unterschied etwa zur Richterin im BAWAG-Prozess, Claudia Bandion-Ortner, die gerne Interviews gab und nach dem BAWAG-Verfahren zur Justizministerin berufen wurde. Doch ihr BAWAG-Urteil hielt in der Berufungsinstanz nur zum Teil, der Prozess musste teilweise wiederholt werden.

Hingegen hat Richterin Hohenecker den Ruf sehr genauer Prozessführung und penibel ausgefertigter Urteile, die in der Instanz nicht mehr gekippt werden können. Scheu vor einer Verurteilung von großen Namen kann man ihr auch nicht nachsagen - im Gegenteil. Mehrere Prominente aus Wirtschaft und Politik wurden von ihr bereits verurteilt - und die Urteile hielten den Prüfungen durch die Oberinstanz stand. Doch sie hat auch Angeklagte freigesprochen, wenn die Vorwürfe gegen sie nicht bewiesen werden konnten, etwa in der Causa Y-Line.

Die Hauptverhandlung ist nun beendet. Für das Urteil hat die Richterin - vorsorglich wie immer - gleich fünf aufeinanderfolgende Freitage im November und Anfang Dezember im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts reservieren lassen.

Ihre Karriere in der Strafjustiz begann die mit einem Richter verheiratete Hohenecker (geborene Zöllner) bei der Staatsanwaltschaft. Mit 1. September 2009 wurde sie von der Wiener Anklagebehörde übernommen. Zwei Jahre später wechselte sie zum Landesgericht, wo sie im Dezember 2011 eine Verhandlungsabteilung für Wirtschaftsstrafsachen übertragen bekam. Geboren ist sie in Wolfsberg in Kärnten, das leichte Kärntnerisch hat sie auch in vielen Jahren in Wien nicht abgelegt.