APA - Austria Presse Agentur

Umweltschützer für neues Verkehrskonzept für die Donaustadt

Umweltorganisationen haben nach dem Aus für den Lobautunnel am Donnerstag auch ein Umdenken bei der ebenfalls heftig umstrittenen Stadtstraße und die Entwicklung anderer Verkehrskonzepte für das Stadtentwicklungsgebiet in Wien-Donaustadt gefordert. "Die Zeit der Autobahnen ist vorbei", sagte Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, bei einer Pressekonferenz. Das für den Bau der Stadtstraße geplante Geld solle in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gesteckt werden.

Man sei mitten in einer Klimakrise, das hätten zuletzt die Waldbrände in Österreich, aber auch Tornados in den USA und vergangenen Sommer in Tschechien gezeigt. "Aber wir bauen weiter Autobahnen", kritisierte Zauner. Wien wolle bis 2040 klimaneutral sein, mit Projekten wie dem Bau der Stadtstraße würden die Klimaziele sicher nicht erreichbar sein. Dabei liege für ein Umdenken bei dem Projekt "alles auf dem Tisch, es fehlt rein am politischen Willen", konstatierte die Global 2000-Geschäftsführerin.

Gregor Schamschula, Umweltjurist des Ökobüros, sagte, die Stadtstraße werde fälschlicherweise als alternativlos dargestellt. Dabei sei für ein abgeändertes Verkehrskonzept, das zu dem Stadtentwicklungsprogramm aber passen würde, keine neue Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) notwendig. Es würde ein Änderungsantrag zur UVP mit dem geänderten Verkehrskonzept genügen. "Das ist ein juristischer Ausweg, der sowohl eine nachhaltige Mobilitätspolitik als auch den raschen Bau von leistbarem Wohnraum möglich macht", betonte Schamschula.

Michael Schwendinger, Experte des Verkehrsclubs Österrreich (VCÖ), sagte, die Rahmenbedingungen für die Stadtstraße hätten sich geändert: Sie sei als vierspurige Verbindungsstraße zwischen zwei Autobahnen geplant gewesen, "die es so nicht mehr gibt". Der Experte: "Wir brauchen sie in dieser Dimension nicht." Hingegen gelte es, auf Basis einer neuen Evidenz zu agieren, denn die Stadtstraße sei zu einer Zeit geplant worden, als es die Klimaziele noch nicht gab.

Das Argument, Angebot schaffe Nachfrage, das in Zusammenhang mit Stadtstraße und Lobautunnel gebracht wird, funktioniere genauso für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. "Man muss Strukturen so schaffen, dass es für Menschen möglichst einfach möglich ist, zu Fuß, mit dem Rad oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein", sagte Schwendinger. Konkret für die Stadterweiterung in der Donaustadt heißt das aus seiner Sicht: Es sollte ein Gesamtkonzept für ein ausgebautes Busliniennetz in dem Bezirk erstellt werden. "Auch eine Busspur auf der Südosttangente ist nicht verboten", sagte der VCÖ-Experte. Mittelfristig sollten dazu die Straßen- und die Schnellbahn ausgebaut werden, langfristig wäre laut Schwendinger auch über den viergleisigen Ausbau der Ostbahnbrücke nachzudenken.

Maria Schachinger, Bodenschutzexpertin des World Wide Fund for Nature (WWF), machte darauf aufmerksam, dass die Stadtstraße auch ein "komplett überdimensioniertes Überbleibsel eines bodenfressenden Megaprojekts ist". Österreich verbaue derzeit täglich 11,5 Hektar neu, mehr als die Hälfte davon werde versiegelt. Das Ziel sei aber, nicht mehr als 2,5 Hektar pro Tag zu verbauen. Zudem würden Hitzewellen durch Beton verstärkt. "Der Hitzeinsel-Effekt wird immer spürbarer, Luftverschmutzung und Schadstoffe direkt neben Wohngebieten belasten die Menschen", kritisierte Schachinger.

Zauner bekundete ihre Solidarität mit den Klimaaktivistinnen und -aktivisten im Camp gegen die Stadtstraße und kritisierte Klagsdrohungen der Stadt Wien scharf. Protest in dem Zusammenhang kam am Donnerstag auch von Scientists for Future in Österreich "gegen die Einschüchterungsversuche durch Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH im Auftrag der Stadt Wien", hieß es in einer Aussendung. Schreiben im Auftrag der Stadt seien an strafunmündige Jugendliche und auch an Wissenschafterinnen und Wissenschafter gegangen, "die lediglich öffentlich wissenschaftliche Argumente gegen dieses Bauvorhaben vorgebracht haben".

Die Scientists for Future: "Einschüchterungsversuche gegen Wissenschaftler:innen sind grundsätzlich und in aller Schärfe zurückzuweisen. Die Freiheit der Wissenschaft ist eine wesentliche Säule unserer Demokratie." Sie forderten, die Drohungen öffentlich zurückzuziehen. Solidarität kam auch von der Umweltorganisation Greenpeace, die erst am Mittwoch ausführlich die Klagsdrohungen der Stadt kritisiert hatte.