APA - Austria Presse Agentur

Umweltschützer: Konzerne wollen Kontrolle über Lebensmittel

Im Rahmen des Green Deal der EU soll auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit auch in der Landwirtschaft viel bewegt werden. Neue Züchtungsverfahren könnten eine Rolle spielen - etwa mit genom-editierten Pflanzen, also "Neuer Gentechnik" (NGT). Doch dagegen machen Umweltschützer mobil. So kritisierte Global 2000 am Montag unter anderem, dass Agrarkonzerne wie Corteva mit Lobbying-Millionen versuchten, die "Kontrolle über unsere Lebensmittel" zu gewinnen.

Aus Sicht der Umweltschützer wollten die Konzerne Patente auf NGT-Pflanzen und Saatgut besetzen. "Gleichzeitig drängen sie darauf, neue gentechnisch veränderte Pflanzen von der Europäischen Kommission als 'natürlich' definieren zu lassen und damit Kennzeichnungspflicht oder wissenschaftliche Risikoprüfungen zu umgehen", kritisierte die Gentechniksprecherin von Global 2000, Brigitte Reisenberger in einer Aussendung. "Seit Beginn der Lobbyarbeit zur Deregulierung des EU-Gentechnikrechts in 2018 wurden dafür mindestens 36 Millionen Euro aufgewendet. Agrarkonzerne möchten sich die Kontrolle über unsere Lebensmittel sichern", so Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000.

"Die Risiken für Natur, Klima und Biodiversität, die mit dem Einsatz der NGT-Methoden wie CRISPR/Cas in der Landwirtschaft einhergehen, werden kaum erforscht und von der EU-Kommission nicht ausreichend berücksichtigt", warnte Reisenberger weiters. Am Montag beschäftigt sich ein Rat der EU-Umweltministerinnen und -Umweltminister mit dem NGT-Thema. Die Umweltpolitiker hätten somit "die Möglichkeit, aufzustehen und die strenge Regulierung der Gentechnik zu verteidigen, zum Wohle der Natur und der Ökosysteme".

Auch der Lebensmittelhandel und führende Hersteller aus Österreich und Deutschland hatten bereits dringliche Appelle an die EU-Kommission gerichtet. Die Behörde solle die Verfahren der Neuen Gentechnik und die daraus entstehenden Produkte nach EU-Gentechnikrecht als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einstufen und entsprechend regulieren.

Dass bisher gut 36 Mio. Euro für Lobbying aufgewendet worden sei, was eine gemeinsame Recherche mit Friends of the Earth Europa zeige, ist laut Global 2000 "vermutlich nur die Spitze des Eisbergs". Schließlich würden "viele Institutionen teilweise unvollständige Angaben machen, wie viel sie für Lobbyarbeit in diesem Zeitraum ausgegeben haben. Die tatsächliche Zahl liegt vermutlich deutlich höher."

Außerdem habe die "Gentech-Lobby" privilegierten Zugang zu wichtigen Entscheidungsträger in der Union, so Global 2000. Seit 2018 habe es laut der Recherche - siehe http://go.apa.at/mrqgrowj - 182 Treffen mit EU-Kommissaren, ihren Kabinetten und Generaldirektoren gegeben. Nun scheine die Kommission bereit, "die Forderungen der Lobbys nach Aufweichung der aktuellen Gesetzgebung und möglichen Abschaffung der Kennzeichnungspflicht für Neue Gentechnik nachzukommen", lautet die Kritik.

Die Nicht-Regierungsorganisationen widerlegen mit ihrer Recherche aus ihrer Sicht "die Darstellung, dass die Neue Gentechnik eine für kleine Züchter zugängliche, einfache und kostengünstige Lösung" sei. Das wichtigste Verfahren sie CRISPR/Cas, das bei gut zwei Dritteln der NGT-Pflanzen Anwendung finde. Die Patentlizenzen für CRISPR würden vom Großkonzern Corteva, einem Zusammenschluss der Konzerne Dow AgroSciences und DuPont/Pioneer, dominiert. Er verfüge über rund 50 Patente. Wer dann die CRISPR-Technologie kommerziell nutzen will, muss "teure" Vermarktungslizenzen beantragen. Die Patentierung der Gentechnikverfahren umfasse in der Regel auch das erzeugte Saatgut und oft auch spätere Generationen davon.

NGT könne also keine günstige, demokratische Technologie darstellen, meint Global 2000. "Viele Patentanträge zielen darauf ab, die biologischen und technischen Unterschiede zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung bewusst zu verwischen", so Reisenberger. Schlussendlich solle damit die Reichweite von Patenten auf traditionelle Züchtungsverfahren ausgeweitet werden.

Laut Global 2000 hat eine Initiative von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Thematik erstmals auf die dortige Tagesordnung gebracht. Gewessler war früher Geschäftsführerin der Umweltschutzorganisation.