APA - Austria Presse Agentur

UNIQA-Chef warnt vor Pflegemangel

Der Chef des führenden Krankenversicherers, UNIQA-Generaldirektor Andreas Brandstetter, appelliert eindringlich an die Politik, den drohenden Pflegenotstand ernst zu nehmen und die Mängel rasch zu beheben - auch durch mehr Flexibilität beim Zugang zu diesem Beruf. Klimaschutz und Nachhaltigkeit müssten ebenfalls ernst genommen werden, auch in der Assekuranz selbst, etwa in der Veranlagung, so der Präsident des Interessensverbandes der europäischen Versicherungsverbände.

Der Pflegebedarf wachse, denn die demografische Schere gehe weiter auf. Im Jahr 2030 werde ein Drittel der Einwohner Österreichs - drei von neun Millionen Menschen - über 60 Jahre alt sein. Derzeit gebe es in Österreich 127.000 Pflege- und Betreuungspersonen, davon 67.000 in Krankenhäusern und 60.000 im Langzeitbereich. Bis 2030 seien 75.000 neue Pflegekräfte nötig, samt denjenigen, die bis dahin in Pension gehen. Nötig seien endlich Rezepte der Regierung, zur Lösung dieses Problems.

Diejenigen, die am heimischen Pflege-Arbeitsmarkt ihre Leistungen anbieten, kämen zu 97 Prozent aus dem EU-Ausland, nur 1,4 Prozent seien Österreicher. Deshalb sollte der Zugang aus Drittstaaten erleichtert werden. "Man kann nicht ständig sagen, man muss die Migration oder die Balkanroute schließen", so der UNIQA-Chef am Donnerstag in einem Online-Auftritt im Klub der Wirtschaftspublizisten. Als Vorbild solle man sich andere Länder nehmen, so habe sich Frankreich Pflegekräfte aus Georgien geholt.

Das Nicht-Agieren bei der großen Herausforderung Pensionen und Altersvorsorge sei leider ein europäisches Phänomen. In der EU gebe es jedes Jahr eine Pensionsfinanzierungslücke von 2.000 Mrd. Euro, das entspreche 15 Prozent des BIP in der EU. "Jeder fünfte der über 65-Jährigen ist von Altersarmut betroffen." In Österreich mache das Pensionsloch 24 Mrd. Euro im Jahr aus, bis 2025 sei laut Agenda Austria mit einem Anstieg auf 27 Mrd. Euro zu rechnen. "Das ist ein Missstand", so Brandstetter. Zur Stärkung der zweiten und dritten Vorsorge-Säule sollte die Lebensversicherungssteuer von 4 auf 2 Prozent halbiert werden und Zukunftsvorsorge und Betriebliche Altersvorsorge gemacht werden, bis hin zu gleichen Chancen gegenüber den Pensionskassen.

Zum Klimaschutz sieht der UNIQA-Chef dringenden Handlungsbedarf - "Die Welt darf nicht kaputt werden" -, mahnt aber auch ein ehrliches Vorgehen anstelle lediglich grüner Anstriche ein. Etwa die Anlage-Portfolios in der Versicherungswirtschaft auf Grün umzustellen, sei "keine einfache Übung". "Wir wollen die Ziele einer CO2-Neutralität bis 2050 international und bis 2040 in Österreich unterstützen". Auch der EU-Kommission sei klar, dass der Green Deal ohne europäische Versicherungswirtschaft nicht funktionieren werde, sagte Brandstetter als Präsident von Insurance Europe. Die europäische Assekuranz habe knapp 11 Billionen Euro an "Assets under Management", "damit sind wir der größte institutionelle Investor in Europa."

Für wirklich grüne Investments, die nicht nur mit einer Farbe angemalt sind, bedürfe es noch einer klaren Rechtssicherheit. Eine solche Taxonomie, also ein geeignetes Einteilungssystem, stehe aber noch aus. Der Weg gehe in diese Richtung, "der Raum zu schummeln wird immer enger", zeigte sich Brandstetter am Donnerstag im Klub der Wirtschaftspublizisten überzeugt. Das Thema Assets sei relativ rasch lösbar, "aber was machen wir auf der Liability-Seite?", also bei den Verbindlichkeiten. So sei etwa das UNIQA-Management in Polen "gar nicht happy" gewesen, als sich der Konzern dazu entschlossen habe, sich aus der Versicherung von Kohlekraftwerken und Kohlegruben zurückzuziehen. Ähnliche Nagelproben würden sich für die nächsten Jahre in Europa auch bei Öl und Gas abzeichnen. "Wer ist bereit, auf Kunden zu verzichten, wenn diese nicht den grünen Weg gehen?"