APA - Austria Presse Agentur

UNO fordert nach Protesten im Irak Ende der Gewalt

Angesichts der Proteste im Irak mit fast hundert Toten hat die UNO ein Ende der Gewalt gefordert. "Fünf Tage mit gemeldeten Toten und Verletzten: Das muss aufhören", erklärte die UNO-Sondergesandte für den Irak, Jeanine Hennis-Plasschaert, am Samstag. Sie sprach von einem "sinnlosen Verlust von Menschenleben" und forderte, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Bei den seit Dienstag andauernden Protesten gegen die Regierung wurden nach Angaben der irakischen Menschenrechtskommission 99 Menschen getötet und fast 4.000 verletzt. Die meisten Todesfälle wurden aus Bagdad gemeldet, aber auch im Süden des Landes kam es zu Gewalt.

Nach Angaben von Ärzten wurde die Mehrheit der Opfer durch Schüsse getötet. Unter den Toten befanden sich demnach auch sechs Polizisten. Die Behörden beschuldigten nicht identifizierte Scharfschützen, in die Menge geschossen zu haben.

Am Samstag legten Demonstranten in der Stadt Nassiriya im Süden des Landes Feuer an den Parteizentralen von sechs unterschiedlichen Parteien. Auch in der ebenfalls im Süden gelegenen Stadt Diwaniya gingen tausende Menschen auf die Straße. Dort waren zahlreiche Schüsse zu hören.

Eine für Samstagnachmittag einberufene Parlamentssitzung wurde verschoben, nachdem die größte Fraktion zu ihrem Boykott aufgerufen hatte. Dies ging auf einen Aufruf des einflussreichen Schiitenführers Moktada al-Sadr zurück, die Regierung von Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi müsse zurücktreten.

"Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden" müsse die Regierung zurücktreten, schrieb al-Sadr in einem veröffentlichten Brief. Es müsse vorgezogene Neuwahlen unter UN-Aufsicht geben.

Sadrs Fraktion ist mit 54 Abgeordneten die stärkste im Parlament von Bagdad. Sein Appell zum Rücktritt der Regierung dürfte den Demonstranten Auftrieb geben und die Debatten im Parlament anheizen. Parlamentspräsident Mohammed al-Halbousi kündigte an, er werde seine übliche Kleidung ablegen und sich "als Erster unter die Demonstranten einreihen".

Die seit Dienstag währenden Proteste gingen nicht von einer bestimmten politischen Gruppe aus. Die zumeist jungen Demonstranten wiesen jede politische Vereinnahmung von sich. "Diese Leute vertreten uns nicht", sagte einer von ihnen über die Parlamentsabgeordneten. "Wir wollen keine Parteien mehr."

Die Proteste richten sich gegen die chronischen Stromausfälle und die hohe Arbeitslosigkeit. Die rund 40 Millionen Einwohner Iraks leiden unter den Folgen von Krieg, Arbeitslosigkeit und Korruption.

Seit der US-Invasion 2003 sollen 410 Milliarden Euro veruntreut worden sein. Der Irak ist der zweitgrößte Ölproduzent der Organisation Erdöl exportierender Staaten (OPEC), doch der Großteil der Einnahmen aus dem Ölgeschäft versickert.

Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte es in der südirakischen Großstadt Basra heftige Proteste gegen Korruption und Misswirtschaft gegeben. Viele Teile des Landes haben nur wenige Stunden Strom am Tag und vielerorts ist das Wasser knapp. Jeder vierte Jugendliche ist arbeitslos.