APA - Austria Presse Agentur

UNO-Spitzenvertreterin: Mehr Multilateralismus nötig

Aus Sicht der Präsidentin der UNO-Generalversammlung, Maria Fernanda Espinosa Garces, lassen sich globale Herausforderungen wie Klimawandel, internationale Migration oder Terrorismus nur gemeinsam lösen. Es sei daher ein "Paradoxon", dass man ausgerechnet in einer Zeit, in der Multilateralismus besonders gebraucht werde, "gleichzeitig extremen Nationalismus sieht", sagte sie im APA-Interview.

Dabei könne Multilateralismus dabei helfen, nationale Prioritäten voranzubringen. "Multilateralismus widerspricht dem nationalen Interesse nicht, sie gehen Hand in Hand." Man müsse daher sagen, dass es ein "stärkeres und effizienteres multilaterales System" brauche, um sich um die Bedürfnisse und Herausforderungen zu kümmern, die die Menschen auf lokaler und nationaler Ebene hätten, betonte die frühere ecuadorianische Außenministerin im Vorfeld der Politischen Gespräche des Forums Alpbach, die am Samstagabend eröffnet werden.

Auf die Frage, was die Vereinten Nationen selbst tun könnten, sagte Espinosa Garces, die UNO habe ein "Kommunikationsdefizit" gegenüber den Bürgern, das sie überwinden müsse. "Ich glaube auch, dass wir übersetzen müssen, was die UNO macht, denn manchmal haben die Menschen den Eindruck, dass die UNO etwas ist, das sehr weit weg ist, technokratisch, eine bürokratische Antwort auf Probleme. Aber sehr wenige Menschen wissen zum Beispiel, dass die UNO jeden Tag für 90 Millionen Menschen Nahrung zur Verfügung stellt, dass die UNO Impfstoffe für die Hälfte der Kinder der Welt bereitstellt, dass die ersten, die kommen, wenn es eine humanitäre Krise gibt, eben unser humanitäres Netzwerk ist. Die UNO erfüllt wirklich einen Zweck, und dieser Zweck ist es, die Lebensqualität, Würde und Rechte der Menschen zu verbessern."

Manchmal sei den Menschen die Wichtigkeit der Vereinten Nationen schlichtweg nicht bewusst. "Wenn Sie an Abrüstung, Frieden und Sicherheit denken: Auch wenn große Herausforderungen vor uns liegen, sind wir in Sachen Nuklearwaffen weit gekommen, denn Sie können die Zahl der Nuklearmächte noch immer an Ihren Fingern abzählen. Wir haben einen Vertrag entwickelt, der Atomtests verbietet, wir haben einen neuen Vertrag vorliegen zur völligen Beseitigung von Atomwaffen, und ich erwähne das auch, weil Österreich hier eine sehr wichtige Rolle gehabt hat. Wir sind gewissermaßen also auch Friedensstifter, ungeachtet der Herausforderungen, die bestehen."

Angesprochen auf das internationale Atomabkommen mit dem Iran (JCPOA) betonte Espinosa Garces, dabei handle es sich um einen "bedeutenden Erfolg in der internationalen Diplomatie". Und: "Es wäre sehr wichtig, dass sich die (Vertrags-) Parteien an ihre Verpflichtungen und Vereinbarungen erinnern."

Eines der Themen, die man gemeinsam lösen muss, ist nach Einschätzung der UNO-Spitzenvertreterin jenes der Migration. "Migration ist von Haus aus, ihrem Wesen nach, ein grenzüberschreitendes Thema - es betrifft Herkunftsländer, Transitländer und Zielländer." Die UNO habe hier eine Antwort bereitgestellt, "das ist der Globale Migrationspakt", sagte Espinosa Garces, die besonders auf den präventiven Aspekt hinwies. "Wir werden Migration nicht stoppen, weil wir uns dafür entscheiden, Migration zu stoppen. Wir werden Migration stoppen, wenn wir die strukturellen Ursachen, die eigentlichen Ursachen lösen."

Der Migrationspakt sei zwar kein rechtlich bindendes Instrument, biete aber einen Leitfaden, um Kooperation zu fördern. Dass er "nützlich" sei, zeigt für sie auch ein Beispiel aus Lateinamerika: ein von der UNO unterstützter, "sehr ambitionierter Plan" von El Salvador, Honduras, Guatemala und Mexiko, der sich mit den Ursachen von Migration befasse. Dabei gehe es u.a. um Arbeitslosigkeit, Chancen für junge Menschen, Bildung und Ernährungssicherheit. Dieser Plan habe etwas, das extrem wichtig sei: "Das ist der politische Wille der Führungen dieser Länder, der betroffenen Regierungen." Es sei "keine magische Formel", aber etwas, das "hoffentlich mittel- und längerfristig einen Effekt haben wird".

Dass der Pakt doch von einigen Ländern - darunter Österreich - nicht mitgetragen wurde, erklärt Espinosa Garces unter anderem damit, dass manche Staaten das Gefühl gehabt hätten, nicht ausreichend vorbereitet zu sein, mit empfundenen internen Befindlichkeiten, aber auch mit Fehlinformationen über den Inhalt und die Reichweite des Dokuments. "Ich glaube, es war nicht klar, dass es kein rechtlich bindendes Instrument ist, dass es Ländern keine politische Vorgehensweise oder Entscheidungen auferlegt, die wirklich den nationalen Behörden obliegen sollten, gemäß der nationalen Gesetzgebung und der Prioritäten und der Politik." Auch hier ortet sie Kommunikationsprobleme. "Aber der Pakt ist offen - wann auch immer Länder das Gefühl haben, dass sie bereit sind beizutreten, können sie jederzeit beitreten."

Den Klimawandel bezeichnete Espinosa Garces als "Bedrohung für das Überleben, und wir müssen wirklich unsere Ambitionen höherschrauben, um sicherzustellen, dass die Finanzierung und die Ressourcen da sind, damit die Länder des globalen Südens, die am stärksten gefährdet sind, sich anpassen und mehr Resilienz aufbauen können". Beim Klimawandel gehe es schon längst nicht mehr nur um die Umwelt, sondern um Entwicklung, Sicherheit und die Menschenrechte. "Es geht um unser Überleben als Spezies."

Angesprochen auf die USA, wo Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen erklärt hat, verwies Espinosa Garces auf US-Staaten wie Kalifornien und eine Koalition von hunderten Städten, "die das Pariser Abkommen sehr ernst nehmen". Es gebe also "viel Bewegung in den Vereinigten Staaten, vielleicht noch nicht unbedingt auf Bundesebene, aber auf Ebene der Staaten passiert viel". Extrem wichtig sei auch die Rolle der Zivilgesellschaft.

Es müssten "große Entscheidungen" getroffen werden beispielsweise im Hinblick auf Investitionen in CO2-arme Technologien. "Aber gleichzeitig können wir als Individuen auch etwas beitragen" - etwa durch die Vermeidung von Einwegplastik, sagte Espinosa Garces, die am Abend bei der Eröffnung der Politischen Gespräche des Europäischen Forums Alpbach sprechen wird.