APA - Austria Presse Agentur

Unzufriedener Zeuge am 91. Grasser-Prozesstag

Am 91. Tag im Strafprozess um angebliche Bestechungsgelder rund um die Causen Buwog/Terminal Tower Linz gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP) und rund ein Dutzend weiterer Angeklagter stehen am Dienstag einmal mehr Zeugeneinvernahmen im Wiener Straflandesgericht am Programm. Wobei der erste Zeuge, ein Rechtsanwalt, überraschte.

Er werde sein Entschlagungsrecht als Anwalt nutzen und keine Aussage tätigen, sagte er zu Richterin Marion Hohenecker. Sowohl Richterin als auch Staatsanwälte zeigten sich über die Begründung seines Entschlagungsrechtes, nämlich dass er als Anwalt in der Auswahlkommission rund um den Verkauf der Bundeswohnungen (unter anderem der Buwog) beratend tätig wurde und daher nicht aussagen müsse, nicht sehr überzeugt.

Der Zeuge war Mitglied der Auswahlkommission, die Grasser bei der Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 eingesetzt hatte. Für die Rechtsberatung sei damals eine eigene Anwaltskanzlei, Freshfields, tätig gewesen, wandte die Richterin ein. Der Zeuge beharrte, er habe damals in Fragen des Beihilfenrechts beraten.

Hohenecker verkündete nach Beratungen des Richtersenats, dass der Senat das vom Zeugen vorgebrachte Aussageverweigerungsrecht nicht anerkenne. "Ihr Vorbringen lässt sich nicht mit bisherigen Angaben im Beweisverfahren, zur Aufgabe und Funktion der Kommission, in Einklang bringen", so die Richterin. Es habe kein Mandantenverhältnis gegeben, wo der Schutz greife.

Der Zeuge beantwortete nach Ablehnung des Entschlagungsrechts die an ihn gestellten Fragen. Die Kommission sei beratend tätig gewesen, der Name daher eigentlich verfehlt: "Ich hatte nicht den Eindruck, dass wir etwas auswählen". "Die Kommission hatte eigentlich beratende Funktion", sagte der Zeuge, der als Anwalt auf Vergaberecht spezialisiert ist. Der Minister könne derartige Kommissionen einsetzen, die ihn und seinen Stab beraten. "Ich habe es als beratenden Funktion gesehen, nicht als Kommission die bestimmte Auswahlentscheidungen trifft", erläuterte er.

Als ihn Richterin Marion Hohenecker mit den Aussagen eines anderen Zeugen, eines hochrangigen Beamten aus dem Ministerium konfrontierte, der gesagt hatte, die Kommission sei "zum Krenreiben" gewesen, musste er lachen. Das komme eben auch auf die Erwartungen an, die man an eine solche Kommission habe, meinte er. Seine Erwartung sei gewesen, dass beihilferechtlich "nix passiert", diese Erwartung habe sich erfüllt. Als "Feigenblattfunktion" habe er das Ganze nicht empfunden.

Bei der letzten Kommissionssitzung, die vom 8. auf den 13. Juni 2004 verlegt worden war, war der Zeuge nicht dabei. Damals lagen die Angebote aus der zweiten Runde, des "Last and Final Offer", vor. Auch bei einer Sitzung im Gelben Salon des Finanzministeriums am 7. Juni, als laut bisherigen Aussagen eine zweite Runde beschlossen wurde, war der Zeuge nicht dabei. Von diesem wichtigen Treffen am 7. Juni gibt es kein Protokoll. Für ihn als Mitglied der Auswahlkommission wäre es unverständlich gewesen, wenn es eine Sitzung ohne Protokoll gegeben hätte. Dieses sei immer nach der Sitzung verschickt worden, für allfällige Korrekturen.

Der Zeuge hatte einen Rahmenvertrag mit dem Finanzministerium, wie er erläuterte. Das habe ein Mandatsverhältnis zwischen dem Ministerium und ihm begründet. In der Kommission habe er immer wieder vergaberechtliche Fragen beantwortet. Die juristische Hauptarbeit bei der Privatisierung der Bundeswohnungen habe aber die vom Ministerium beauftragte Kanzlei Freshfields erledigt. "Im wesentlichen haben die von Freshfields beschäftigten Juristen geprüft, was beihilfenrelevant ist. Ich habe mich schon auf die Kollegen verlassen", sagte der Zeuge. An Prozessbriefe im Verfahren könne er sich nicht erinnern.

Einen Einfluss von Grasser auf die Auswahlkommission habe er nicht wahrgenommen, so der Anwalt. In der Kommission seien aber mehrere Spitzenbeamte des Finanzministeriums gesessen. "Die Meinung des Ministeriums ist für mich das, was mir der jeweilige Ministerialrat sagt". Die Zahl 960 Mio. Euro - die in der ersten Bieterrunde von der mitbietenden CA Immo als Finanzierungsgarantie genannt worden war - kenne er nur aus den Medien.

In der Befragung meinte der Anwalt dann, ein "Nachfeilschen" bei einem Vergabeverfahren sei im Beihilfenrecht durchaus im System des Wettbewerbs, wenn es darum gehe, einen möglichst hohen Verwertungserlös zu erzielen. "Es ist immer ein Spannungsfeld zwischen dem Erzielen eines hohen Verwertungserlöses und einer fairen Vorgangsweise." Er habe keinen Hinweis, dass irgendetwas nicht korrekt gewesen wäre.

Bei der Privatisierung der über 60.000 Bundeswohnungen zahlte der siegreiche Bieter, die Immofinanz, für Informationen zum Bieterverfahren im Geheimen und mit Hilfe von Scheinrechnungen ein Prozent des Kaufpreises, also 9,6 Millionen Euro, an den Lobbyisten Peter Hochegger und Walter Meischberger. Das Geld floss - unversteuert - über Zypern und den US-Bundesstaat Delaware nach Liechtenstein, wo es auf mehrere Konten aufgeteilt wurde. Laut Staatsanwaltschaft haben auch Grasser und der mitangeklagte Makler Ernst Karl Plech davon profitiert - was Grasser und Plech bestreiten. Hochegger hat ein Teilgeständnis abgelegt.