APA - Austria Presse Agentur

US-Experte sieht Kurz auch in den USA "etwas angeschlagen"

Unter Präsident Joe Biden hat es Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in den USA schwerer.

Während seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel am Donnerstag im Weißen Haus empfangen wird, absolviert der Kanzler Termine bei der UNO in New York. Für den Washingtoner Außenpolitik-Experten Peter Rough ist dies ein "Symbolbild". Biden setze nämlich in Europa stark auf Deutschland, so Rough. Kurz sei indes auch in den USA wegen seiner innenpolitischen Probleme angeschlagen.

"Kurz ist in New York und Merkel ist in Washington. Während der Trump-Regierung hätte man sich lieber mit Kurz getroffen", kommentierte der Forscher am konservativen "Hudson Institute" mit Blick auf den "Zoff" zwischen Berlin und Washington unter Bidens Vorgänger. Die Regierung von Donald Trump habe sich in Europa "regionale Alternativen gesucht" und bewusst die Beziehungen zu kleineren mitteleuropäischen Staaten gepflegt.

Dass Trump in Österreich und den Visegrad-Staaten einen "Einstiegskanal" nach Europa sah, sei eine "riesige Chance" für Kurz gewesen, die dieser dann auch genutzt habe. So kam Kurz im Februar 2019 als erster Kanzler nach 13 Jahren ins Oval Office. Ein Jahr später fiel ein neuerliches Treffen mit Trump der beginnenden Pandemie zum Opfer.

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Der Kanzler habe es auch geschafft, sich in den USA "als junger, dynamischer Mitte-Rechts-Politiker darzustellen", fügte der bekennende Republikaner Rough hinzu. Den Europaexperten in Washington seien freilich die jüngsten innenpolitischen Probleme des ÖVP-Chefs nicht verborgen geblieben, sagte Rough mit Blick auf die Chat-Affäre rund um Thomas Schmid. "Das bestätigt jene, die sagen, dass er kein Rückgrat hat", so Rough, der den Kanzler nun auch in den USA "etwas angeschlagen" sieht.

Doch selbst seine Kritiker würden Kurz nicht auf eine Stufe mit dem ungarischen Premier Viktor Orban oder polnischen Regierungsverantwortlichen stellen, betonte der in Iowa geborene Jurist mit Kärntner Wurzeln. Auf die Frage nach dem Profil der türkis-grünen Regierung meinte Rough, diese werde in den USA weniger wahrgenommen als das erste türkis-blaue Kabinett des Kanzlers. Freilich sehen etwa Deutschland-Experten die aktuelle Regierung als mögliches Vorbild für ein künftiges Kabinett in Deutschland mit Interesse.

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Inhaltlich sei Kurz "nicht weit entfernt von demokratischen Positionen", so Rough. Bei der UNO, dem Iran-Atomabkommen oder dem Pariser Klimaabkommen seien die Positionen von Bidens Demokraten "kohärent" mit jenen des ÖVP-Chefs. Auch die positive Haltung gegenüber Israel komme bei den meisten Demokraten gut an.

Rough findet es "absolut" richtig, dass Kurz die USA als Ziel für seine erste außereuropäische Reise seit Ausbruch der Pandemie gewählt hat. Die Teilnahme an der von Ex-Google-Chef Eric Schmidt im Staat Montana ausgerichteten informellen Konferenz von Politikern und Wirtschaftskapitänen in der zweiten Wochenhälfte bestätige auch das vergleichsweise "große Profil" das Kanzlers in den USA. Es sei auch "extrem wichtig", dass Österreich seine Beziehungen zu den Vereinten Nationen pflege, schließlich werde der Alpenrepublik in der UNO "ein vergleichsweise höherer Stellenwert" zugewiesen als anderen Ländern ähnlicher Größe.

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Richtig sei auch, dass Kurz bei seinem UNO-Besuch zum Thema Nachhaltigkeit sprechen werde, sagte Rough. Einerseits könne Österreich seine diesbezügliche Politik "herzeigen", andererseits handelt es sich um ein Thema, "das für Joe Biden ein wichtiger und zentraler Schwerpunkt ist". Grundsätzlich empfiehlt Rough Österreich, gegenüber den USA eine pragmatische und konstruktive Politik zu betreiben, etwa im Bereich Digitalsteuern und Datenschutz. Konkretere Aussagen seien noch nicht möglich, weil in Washington noch nicht einmal alle relevanten Akteure im Amt seien, es etwa im Außenministerium noch keinen neuen Chef für die Europasektion gebe.

"Österreich ist relativ klein und spielt in den Gedanken der Biden-Regierung keine allzu große Rolle", betonte Rough. Nachdem sich die Biden-Regierung stark auf Brüssel und Berlin konzentriere, sollte nun auch Österreich versuchen, über die Europäische Union Einfluss auf die transatlantische Politik zu nehmen.

Nicht überbewerten wollte Rough, dass Wien beim Rennen um den Biden-Putin-Gipfel leer ausgegangen sei. Vermutlich habe man auf ein "absolut neutrales Land" wie die Schweiz gesetzt, weil dieses anders als Österreich nicht die EU-Russland-Sanktionen mittrage. Vor diesem Hintergrund "finde ich es absolut übertrieben, dass sich Sebastian Kurz immer wieder als Brückenbauer positioniert". Schließlich werde in Washington von Wien erwartet, dass man "Teil des Westbekenntnisses der EU ist".

Allgemein räumte Rough ein, dass es zwischen der Außenpolitik von Trump und Biden auch Kontinuität gebe, etwa beim Thema Afghanistan. Unterschiedlich sei der Zugang. "Der eine setzte auf Hebel (zur Druckausübung, Anm.), der andere auf Harmonie." Inhaltliche Konflikte, etwa beim Wettbewerbsstreit zwischen Boeing und Airbus, seien aber vorerst nur aufgeschoben und nicht gelöst worden. Den Iran-Atomdeal brauche Biden, um sich aus dem Nahen Osten zurückzuziehen. Und Europa solle die US-China-Politik mittragen. Die Russland-Politik Bidens sei indes stark innenpolitisch geprägt. "Biden kann hier schwer Schwäche zeigen."

Innenpolitisch herrsche in den USA nach der erfolgreichen Impfkampagne ein "Gefühl der Erholung" vor. Wirtschaftlich gebe es zwar einen Aufschwung, doch die politischen Gräben existieren weiterhin, so Rough. Potenziell gefährlich könnte dem Präsidenten werden, wenn seine massiven Wirtschaftsprogramme eine Inflation auslösen oder sich die Migrationskrise wieder zuspitze. Auch sei unklar, mit wem die Demokraten bei der nächsten Wahl werden antreten können. Bei Biden sehe man, "dass er (leistungsmäßig, Anm.) stark abnimmt". Auch seine Stellvertreterin Kamala Harris habe "große Fehler gemacht" und sei in einer schwachen politischen Position.

"Die große Frage ist, ob Donald Trump kandidieren wird. Ich würde eher dagegen wetten", sagte Rough. Mit Blick auf mögliche Kandidaten wie Ex-Vizepräsident Mike Pence, Ex-Außenminister Mike Pompeo, Ex-Gouverneurin Nikki Haley, Gouverneur Ron De Santis oder die Senatoren Marco Rubio und Tom Cotton erwartet er somit, dass sich auch bei einem Machtwechsel die US-Politik "innerhalb des liberaldemokratischen Spektrums" bewegen und "eine Professionalität vorhanden wäre".

Eindeutig äußert sich Rough auf die Frage, ob nun ein Treffen von Biden und Kurz wahrscheinlicher sei oder eines des Kanzlers mit Trump nach einem Comeback des Ex-Präsidenten im Jahr 2024. Eine Einladung von Biden an Kurz sei wesentlich wahrscheinlicher als das zweite Szenario, so Rough. Für dieses müssten nämlich zwei weniger wahrscheinliche Bedingungen erfüllt sein: Dass Kurz in drei Jahren noch österreichischer Kanzler ist, und dass Trump die Präsidentenwahl 2024 gewinnt.

(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)