Van der Bellen in der Ukraine bei Hilfsprojekt in Uschhorod

Van der Bellen auf Solidaritätsbesuch in der Ukraine
Es war vor allem ein Besuch mit Symbolkraft, den Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag in der von Russland angegriffenen Ukraine beendete. Dass Van der Bellen kurz nach seiner zweiten Angelobung Kiew aufsuchte, galt als Zeichen der Solidarität. Zum Schluss stand am Freitag ein Lokalaugenschein bei einem vom Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) unterstützen Hilfsprojekt in Uschhorod im Dreiländereck zwischen der Ukraine, der Slowakei und Ungarn auf dem Programm.

In Uschhorod, der Hauptstadt des Oblast Transkarpatien, unterstützt das Österreichische Rote Kreuz (ÖRK) eine Gesundheitseinrichtung des ukrainischen Roten Kreuzes (URCS). Zur Unterstützung des lokalen medizinischen Systems wurden etwa drei Minikliniken und acht mobile Sanitätsbrigaden geschaffen. Dazu wurde auch drei Rettungsautos aus Österreich geliefert, erkläre Klinikleiterin Ludmila Sorokina bei einem Lokalaugenschein. Der Bundespräsident bewies Blick fürs Detail. Dieser Wagen komme aus dem Burgenland, merkte er an und zeigte auf das ukrainische Kennzeichen. Rundherum war noch die Werbung einer KFZ-Werkstatt aus Güssing erkennbar.

Van der Bellen lobte das Rote Kreuz für seine rasche Einsatzbereitschaft vor einem Jahr. Der Krieg habe am 24. Februar begonnen, das Rote Kreuz sei im März bereits hier im Einsatz gewesen. "Gratuliere! Die Organisationsfähigkeit des Roten Kreuzes über die Grenzen hinweg ist beeindruckend."

Der Generalsekretär des ÖRK, Michael Opriesnig, erklärte: "Dieses Projekt ist ein wunderbares Beispiel für den gesamten Umfang unserer Dienstleistungen, die wir hier anbieten."

Unter anderem entstanden Überwinterungsmöglichkeiten für Menschen, die zuvor Substandard-Unterkünften leben mussten. Eine spezielle Zielgruppe waren dabei Binnenflüchtlinge, die auf Notschlafstätten angewiesen waren. Zudem wurden häusliche Pflegeaktivitäten gefördert, weil es da vor allem bezüglich der älteren Bevölkerung Lücken im ukrainischen Sozialsystem gebe, wie es hieß.

Van der Bellen zeigte sich beeindruckt und bestätigt: "Ich finde es wichtig, dass wir sichtbar die Ukraine unterstützen, im medizinischen Bereich in simplen Sachen wie Lieferung von Krankenwagen, Feuerwehrautos im Schulbereich, in Renovierungen."

Die humanitäre Hilfe, die Österreich der Ukraine geben könne, war auch ein Hauptthema der symbolträchtigen Visite von Van der Bellen am Mittwoch in der ukrainischen Hauptstadt gewesen, wo er auch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zusammentraf. Dass dieser mit ständigen Forderungen nach Waffen, die Lage auch eskalieren lassen könnte, stellte Van der Bellen hernach in Abrede. "Es wurde schon genug eskaliert, aber doch wohl von russischer Seite. Die sinnlose Bombardierung, die wir besichtigt haben, in den Vororten praktisch von Kiew, das waren ja keine militärischen Ziele, das war sinnloses Zerstören", sagte Van der Bellen, der am Vortag die von russischen Angriffen gezeichneten Städte Butscha und Borodjanka im Umfeld von Kiew besucht hatte.

In Beisein von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) unterstrich der Bundespräsident, dass Österreich pro Kopf zu den größten Gebern für die Ukraine zähle. Sowohl aus staatlichen Mitteln, als auch durch die Spendenbereitschaft der Zivilbevölkerung. "Wir unterstützen die ukrainische Bevölkerung mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen", zog Van der Bellen Bilanz. "Seit Kriegsbeginn wurden 118 Mio. Euro staatliche Hilfe zur Verfügung gestellt." Dazu seien allein über die Spendenaktion "Nachbar in Not" bisher über 55 Millionen Euro zusammengekommen.

Waffen könne Österreich auf Grund der in der Verfassung verankerten Neutralität der Ukraine keine liefern, legte Van der Bellen auch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj klar offen. Selbst eine Bundesheer-Hilfe bei der Entminung, wie sie Selenskyj gerne sehen würde, sei dadurch wohl nicht möglich, sagte er hernach noch zu österreichischen Journalisten. Doch gebe es auch eine internationale Komponente, schließlich stelle man sich dem Transport von Rüstungsmaterial zu Land durch oder in der Luft über Österreich nicht in den Weg.

Zudem sei er bezüglich Waffenlieferungen auch der falsche Ansprechpartner, insinuierte Van der Bellen: "Wir in Österreich müssen gestehen, unsere Armee nach zehn Jahren finanzieller Aushungerung so vernachlässigt zu haben, dass ich nicht wüsste, welche Waffen wir liefern könnten." Österreich stehe auch als Vermittler zur Verfügung, sagte der Bundespräsident auf Nachfrage. Er zeigte sich auch etwas enttäuscht. "Vielleicht hatte ich Rande gehofft, ein Gefühl über eine Friedensperspektive, über das Ende des Krieges zu kriegen. Das könnte ich jetzt nicht behaupten. Ich sehe im Moment keinerlei Friedenstaube irgendwo fliegen, die eine diplomatische Initiative ermöglicht."

Doch sei der Platz der Ukraine eindeutig in Europa, versicherte Van der Bellen. "Das ukrainische Volk kämpft tagtäglich unter unvorstellbarem Einsatz entschlossen für seine Freiheit. Es verteidigt dabei auch unsere gemeinsamen europäischen Werte - Freiheit und Demokratie." Daher unterstütze Österreich die europäische Perspektive der Ukraine und helfe konkret bei der Umsetzung von Reformschritten auf dem Weg zur europäischen Integration.

Ukraines Präsident Selenskyj wollte seine Gäste freilich nicht ganz ohne Tadel nach Hause schicken. Es sei unverständlich, dass nach wie vor österreichische Firmen in Russland aktiv seien. So würde etwa die Raiffeisen Bank International (RBI) russischen Soldaten Kreditstundungen gewähren. Das sei inakzeptabel. "Wir möchten, dass diese Unternehmen stattdessen in die Ukraine kommen", so Selenskij. "Wir rufen die österreichische Seite auf, Maßnahmen zu treffen, damit wegen österreichischer Unternehmen nicht Österreichs Bevölkerung in Misskredit gerät."

Van der Bellen reagierte nach der Pressekonferenz gegenüber österreichischen Journalisten gelassen. In den Delegationsgesprächen sei das nur am Rande ein Thema gewesen. "Es wurde aber nicht wirklich Druck gemacht hinter dieser Geschichte. Ich sehe auch gar nicht, wie man das schnell lösen kann. RBI Raiffeisen denkt seit Beginn des Krieges spätestens darüber nach, ob und wie sie ihre Aktivitäten in Russland verändern, verlagern, beenden sollen."

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