APA - Austria Presse Agentur

Van der Bellen übt leise Kritik an Politik der "Frugal Four"

Bundespräsident Alexander Van der Bellen übt leise Kritik an der nicht zuletzt von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz forcierten Politik der "Frugal Four" bei den EU-internen Verhandlungen zum Corona-Hilfsfonds.

"Ich war nicht in jedem Augenblick glücklich über die österreichische Position", erklärte Van der Bellen laut Vorausinfo in einem Interview für die 75-Jahr-Jubiläumsausgabe der katholischen Wochenzeitung "Die Furche", die am Dienstag erscheint.

Gleichzeitig signalisierte Van der Bellen aber ein gewisses Verständnis an der Vorgangsweise der die selbst ernannten "Sparsamen Vier" (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark). Man müsse sehen, "wie die Entscheidung im Europäischen Rat ablaufe", erklärte er. "Dort erwartet man bei jeder größeren Sache Leadership von Deutschland und Frankreich - insbesondere nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs. Gleichzeitig sind alle kleineren Länder nervös, dass über sie drübergefahren wird. Insofern ist es verständlich, dass es Bestrebungen gibt, sich abzusprechen. Und dann spielt plötzlich ein kleiner Block von drei, vier, fünf Ländern eine Rolle, weil man den zwei großen nicht bedingungslos das Leadership überlassen will."

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Im Ringen um das 1,8 Billionen Euro schwere EU-Finanzpaket aus mehrjährigem Budget von 2021 bis 2027 und dem Corona-Aufbaufonds "Next Generation EU" hatten die"Sparsamen Vier" gemeinsam mit Finnland Kürzungen gegenüber früheren Entwürfen von Frankreich und Deutschland sowie der EU-Kommission durchgesetzt. Sie bestanden außerdem auf einer Verknüpfung zwischen Rechtsstaatlichkeit und EU-Mitteln.

Das EU-Budget ist derzeit noch immer Gegenstand schwieriger Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament. Ungarn und Polen blockieren die Corona-Hilfszahlungen, weil diese an ein Rechtsstaatlichkeitsprinzip innerhalb der EU gekoppelt werden sollten. Van der Bellen forderte in diesem Zusammenhang dazu auf, die Nerven zu bewahren: "Die beiden gehören zu den größten Empfängerländern der Union. Dass sie auf diese Gelder verzichten wollen, kann ich mir schwer vorstellen."

Global gesehen äußerte Van der Bellen in dem Interview den Eindruck, dass der "atlantische Graben" zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa größer geworden sei. Das habe auch mit den politischen Sichtweisen des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump zu tun. "America First und so weiter. Aber das ist nicht das Einzige. Man muss sehen, dass sich das außenpolitische Interesse der USA verlagert - von Westeuropa nach Ostasien. Einer der Gründe ist die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Und damit geht die entsprechende militärische Position einher. Das kann der bisherigen Nummer eins nicht ganz egal sein." Insofern stehe die transatlantische Zusammenarbeit auf schwächeren Beinen als zur Zeit des Kalten Krieges.

Auch das Verhältnis zu Russland sei unter anderem wegen der "Entwicklung in der Ukraine-Krise" nicht "einfacher" geworden, konstatierte Van der Bellen, forderte aber auch hier Kooperation ein. Immerhin sei Russland ein "weitgehend europäisches" Land: "Ich wäre als Erster dabei, wenn eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen Russland und der gesamten EU befördert würde. Doch da gehören immer zwei Seiten dazu."

Bezüglich der Schließung des König-Abdullah-Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) in Wien ortete Van der Bellen "ein Verschulden auf mehreren Seiten". Konkret sagte er: "Einerseits wurde, wann immer in Saudi-Arabien etwas mit unseren Menschenrechtsvorstellungen wirklich Unvereinbares geschehen ist - Gerichtsurteile, Auspeitschungen, Hinrichtungen - das KAICIID mitverantwortlich gemacht. Umgekehrt leben solche Organisationen davon, was sie selber kommunizieren. Und die öffentliche Kommunikation des KAICIID war für moderne Erfordernisse zu bescheiden; obwohl man gute Arbeit geleistet hat im interreligiösen Dialog."

Im Zusammenhang mit dem islamistisch motivierten Terroranschlag in Wien, der Anfang November mehrere Tote und zahlreiche Verletzte gefordert hatte, mahnte Van der Bellen dazu, "keine vereinfachte Erklärung" nach dem Motto "die Muslime sind an allem schuld" aufzubauen. "Das ist ja lächerlich! Der Terrorist vom 2. November war zwar Muslim und seine Familie kam ursprünglich aus Nordmazedonien, aber er hat einfach um sich geschossen. Es war ihm egal, wen er trifft, Hauptsache viele. Und unter anderem hat er, wenn man so will, auch einen Landsmann ermordet, auch der hatte Wurzeln in Nordmazedonien und war Muslim."