Verdächtiger nach Vierfachmord 2012 in Frankreich verhört

Fall seit mehr als neun Jahren ungeklärt
Nach einem kaltblütigen Vierfachmord in der Urlaubsidylle der französischen Alpen im September 2012 ist für die Fahnder lange Zeit eine Spur nach der anderen im Sand verlaufen. Nach einer Rekonstruktion am Tatort haben Ermittler nun aber mehr als neun Jahre nach dem mysteriösen Gewaltverbrechen von Chevaline einen Verdächtigen festgenommen. Nach Medienberichten handelt es sich um einen vor Jahren bereits Verdächtigten.

Es gehe darum, Zeitabläufe zu überprüfen, teilte Staatsanwältin Line Bonnet am Mittwoch in Annecy mit. Am späten Abend dann verkündete sie die Verlängerung des Gewahrsams. Der Vierfachmord gilt als einer der mysteriösesten Mordfälle der vergangenen Jahre.

Ein Unbekannter hatte im September 2012 ein in Großbritannien lebendes irakischstämmiges Urlauberpaar und die Mutter der Ehefrau auf einem Waldparkplatz erschossen. Ebenfalls getötet wurde ein offensichtlich zufällig vorbeikommender Radfahrer. Nur die beiden Töchter des bei London lebenden Paares im Alter von vier und sieben Jahren überlebten. Ein erschütterndes Detail: Die Vierjährige hielt sich nach der Tat zunächst unbemerkt für acht Stunden unter den Beinen ihrer toten Mutter verborgen, ehe die Spurensicherung sie bei der Bergung der Leichen fand.

Weitere Einzelheiten zu der Festnahme konnte die Staatsanwaltschaft wegen des Ermittlungsgeheimnisses zunächst nicht mitteilen. Nach Abschluss des Polizeigewahrsams solle die Öffentlichkeit erneut informiert werden, hieß es. Wie die Zeitung "Le Parisien" unter Verweis auf übereinstimmende Quellen berichtete, handelt es sich bei dem nun Festgenommenen um einen Mann, der 2014 bereits im Visier der Fahnder stand.

Als Motorradfahrer war der aus dem Departement stammende Mann Waldarbeitern zur Tatzeit in der Umgebung aufgefallen. Nach der Veröffentlichung eines Phantombildes 2013 meldete er sich nicht von sich aus. In den Fokus der Ermittlungen geriet er dann 2014 erst, weil er sich nach der Auswertung von Handydaten zur Tatzeit in der Nähe aufgehalten hatte. Zwar wurde der Ex-Polizist vorübergehend festgenommen, zu einem Verfahren kam es aber nicht, weil sich keine Verbindung zu der Tat ergab. Er habe sich zum Paragliding, seinem Hobby, in Tatortnähe aufgehalten, sagte der Mann damals aus.

Im September 2021 hatten die Ermittler einen Lokalaugenschein organisiert, um mit verschiedenen Beteiligten mögliche Abläufe rund um die Tat zu rekonstruieren und so auf möglicherweise neue Ansätze zu stoßen. Auch die Waldarbeiter und der inzwischen 57 Jahre alte Motorradfahrer wurden eingebunden. Laut "Le Parisien" ergaben sich dabei Ungereimtheiten bei den Zeitangaben des Motorradfahrers.

Den Opfern war jeweils zweimal mit einer seltenen Waffe in den Kopf geschossen worden, das ältere Mädchen wurde beim Versuch zu fliehen im Rücken getroffen und schwer verletzt. Es handelte sich um eine automatische Pistole vom Typ Luger 06, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts entwickelt worden war und als sehr beliebt bei Waffensammlern gilt. Bei dem Motorradfahrer soll es sich ebenfalls um einen Waffensammler handeln. Nach dem Fund diverser Waffen wurde 2014 gegen ihn auch wegen illegalen Waffenhandels ermittelt.

Die Familie der Opfer war offensichtlich zum Urlaub auf einem Drei-Sterne-Camping-Platz in der beliebten Ferienregion. Vor dem Hintergrund eines möglichen Erbstreits als Motiv hatte ein französisch-britisches Ermittlerteam auch ein Familienmitglied vorläufig festnehmen lassen. Hier aber gab es ebenfalls nicht ausreichend Belastungsmaterial, der Mann kam frei. Der aus dem Irak stammende Familienvater hatte in der Raumfahrtbranche gearbeitet. Die Polizei prüfte auch Spekulationen, er könnte in Spionageaktivitäten verwickelt sein - diese Ermittlungen blieben ohne Resultat.

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