APA - Austria Presse Agentur

Vergleich mit kirchlichem Missbrauchsskandal: Kurz für Justiz-Beleidigung gerügt

Der Vergleich von Bundeskanzler Kurz zwischen Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und angeblichen Missständen in der Staatsanwaltschaft stößt weiter auf Kritik.

"Das ist unverschämt", befand Verfassungsexperte Heinz Mayer am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz. Die FPÖ kritisierte indes eine "Sonderbehandlung" des Kanzlers, weil für dessen Beschuldigteneinvernahme eine spezielle Bestimmung zur Anwendung kommt.

Als er die Aussagen des Kanzlers zu Kirche und Justiz gehört habe, sei er erst einmal aufgestanden und eine Runde im Wohnzimmer gegangen, erzählte Mayer: "Das Gelindeste, was man dazu sagen kann, ist: Das ist unverschämt." Der Vergleich sei einfach ein "Holler".

Für dich ausgesucht

SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim forderte am Dienstag per Aussendung von Kurz nicht nur eine Entschuldigung bei der Staatsanwaltschaft, sondern auch bei Missbrauchsopfern, denn immerhin setze er mit seinen Äußerungen sich selbst mit Opfern von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch gleich. "Dass Kurz die Ermittlungen gegen sich als unangenehm empfindet, mag sein. Sich damit aber mit Gewaltopfern zu vergleichen, ist völlig unangemessen."

Kurz hatte in einem Videointerview gemeint, es müsse "möglich sein, dass die Arbeit von Einzelpersonen kritisch hinterfragt werden darf". "Es gab eine Institution, die ist früher niemals hinterfragt worden - das ist die katholische Kirche", so der Kanzler weiter. "Als es Missbrauchsfälle gegeben hat, haben einige sogar versucht, das zu vertuschen - und das war am Anfang nicht gern gesehen, wenn es öffentlich Kritik an der Kirche gab. Ich glaube, dass das der Kirche nicht gut getan hat. Ich glaube, keine Institution sollte sakrosankt sein", betonte Kurz. "Und jeder sollte in Ruhe seiner Arbeit nachgehen können. Aber wenn sich jemand etwas zuschulden kommen lasst, dann ist es auch legitim, das anzusprechen." Er glaube, "dass wir schon im Bereich der WKStA hier einige auch Problemfelder gesehen haben in der letzten Zeit."

Die ÖVP und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft liegen schon länger miteinander im Clinch. Die WKStA ermittelt nach einer Anzeige gegen Kurz wegen des Verdachts, den Ibiza-Untersuchungsausschuss in mehreren Punkten falsch informiert zu haben. Das von den Grünen geführte Justizministerium hat am Montag - entsprechend dem Wunsch von Kurz' Anwalt - entschieden, dass der Kanzler nicht von den Staatsanwälten, sondern von einem Richter einvernommen wird. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung der Strafprozessordnung, wenn sowohl eine besondere Bedeutung des Beschuldigten als auch eine besondere Bedeutung der Straftat und daher großes öffentliches Interesse gegeben sind.

Für dich ausgesucht

Diese Bestimmung habe in der Praxis bisher keine Bedeutung gehabt, erläuterte Mayer. Sie habe aber einen "klaren Wortlaut", und demnach könne man hier fast nicht zu einem anderen Ergebnis kommen. Er hätte wohl auch so entschieden, sagte Mayer - "schon allein deshalb, um nicht den Opfermythos zu nähren". Die Entscheidung des Justizministeriums sei rechtlich "einwandfrei".

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht das erwartungsgemäß etwas anders: Justizministerin Alma Zadic (Grüne) habe damit einen Wunsch des Kanzlers erfüllt, die Ministerin habe "den ÖVP-Filz im Justizministerium offenbar nicht einmal ansatzweise im Griff", monierte er in einer Aussendung. Das Vertrauen der Bürger in die gleiche Behandlung aller durch die Justiz werde durch diesen Schritt massiv erschüttert. "Die Weisung ist auch ein extremer Vertrauensbruch gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft – gerade im Lichte der skandalösen und eines demokratischen Politikers völlig unwürdigen Aussagen des Kanzlers", meinte Kickl zum "ungustiösen Vergleich" von Staatsanwälten mit pädophilen Priestern.

Die Opposition akzeptiere die Justiz offenbar nur, wenn sie in ihrem Sinn agiere, glaubt dagegen ÖVP-Mandatar Andreas Hanger. "Wie man anhand des oppositionellen Gejaules leider einmal mehr sieht, ist die unabhängige Justiz für die Opposition nur ein parteipolitischer Kampfbegriff", befand der Abgeordnete. "Dass SPÖ und FPÖ aus ihrer Geschichte heraus mit Polit-Justiz liebäugeln, ist auch kein Geheimnis - die NEOS opfern den letzten Lacksplitter angeblicher Liberalität nun gerade auf dem Altar der Hetze gegen die Eckpfeiler unserer Republik", griff Hanger in die untere Schublade.