APA - Austria Presse Agentur

Verletzter Afroamerikaner in Kenosha hatte Messer im Auto

Der von Schüssen in den Rücken bei einem Polizeieinsatz schwer verletzte Afroamerikaner in der Stadt Kenosha hat nach Angaben der Ermittlungsbehörden ein Messer in seinem Fahrzeug gehabt.

Das Messer sei auf dem Boden des Innenraums auf der Fahrerseite sichergestellt worden, sagte der Generalstaatsanwalt des Bundesstaates Wisconsin, Joshua Kaul, am Mittwoch. Der Mann habe den Polizisten zuvor "an einem bestimmten Punkt" gesagt, dass er ein Messer habe, sagte Kaul. In dem Auto seien keine weiteren Waffen gefunden worden.

Der Fall sorgte für Empörung und Proteste in den USA, nachdem ein Video des Polizeieinsatzes veröffentlicht worden war. Darauf ist zu sehen, wie der 29-jährige Jacob Blake sich zunächst um sein Auto bewegt, während zwei Polizisten ihm mit gezogenen Waffen folgen. Eine davon ist direkt auf seinen Rücken gerichtet. Blake öffnet die Fahrertür und beugt sich hinein, unmittelbar danach fallen sieben Schüsse. Der Generalstaatsanwalt machte zunächst auch auf Anfragen von Journalisten keine weiteren Angaben zum Ablauf des Zwischenfalls. Die Polizei in Kenosha ist nicht mit Kameras am Körper ausgestattet.

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Der Fall wird nach den Regelungen in Wisconsin von der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates untersucht. Der auf Video festgehaltene Ablauf des Zwischenfalls hatte Vorwürfe ungerechtfertigter Polizeigewalt und zum Teil gewaltsame Proteste in Kenosha ausgelöst. Kaul sagte, die Polizisten hätten zuvor versucht, Blake mit einem Elektroschocker zu betäuben, dies sei aber fehlgeschlagen. Sie seien wegen eines häuslichen Konflikts gerufen worden. In dem Auto befanden sich die Kinder Blakes im Alter von drei, fünf und acht Jahren.

Generalstaatsanwalt Kaul sagte, eine Frau habe die Polizei am Sonntag alarmiert und berichtet, dass sich ihr Freund gegen ihren Willen auf ihrem Grundstück aufhalte. Die eintreffenden Beamten hätten Blake vor Ort festnehmen wollen. Ein Polizist habe ihn nach fehlgeschlagenen Versuchen am T-Shirt gepackt und ihm sieben Mal mit seiner Dienstwaffe in den Rücken geschossen, sagte Kaul. "Kein anderer Beamter hat seine Waffe abgefeuert." Der Beamte, der die Schüsse abgab, ist demnach seit sieben Jahren Polizist in Kenosha.

Die Anwälte von Blakes Familie haben angegeben, dass er einen Streit zwischen zwei Frauen habe schlichten wollen. Wegen der schweren Verletzungen ist der Familie zufolge unklar, ob der 29-Jährige jemals wieder wird gehen können.

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Die Polizeischüsse auf Blake haben drei Monate nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis die Empörung über Polizeigewalt gegen Afroamerikaner erneut angeheizt. Seit Tagen wird die Stadt Kenosha von teils gewaltsamen Protesten erschüttert. Am Rande der Proteste wurden am Dienstagabend zwei Menschen erschossen, als Tatverdächtiger wurde ein 17-Jähriger festgenommen.

Die Polizei nahm den Teenager in Antioch im benachbarten Bundesstaat Illinois in Gewahrsam, wie die Behörden am Mittwoch mitteilten. Er wurde formell des Mordes beschuldigt und sollte nach Wisconsin überstellt werden.

In der Stadt Kenosha in Wisconsin waren bei den Protesten am Dienstagabend zwei Menschen getötet worden, als ein Schütze - mutmaßlich der 17-Jährige - mit einem Sturmgewehr das Feuer eröffnete. Ein dritter Mensch wurde verletzt. Die beiden Todesopfer waren 26 und 36 Jahre alt, der Verletzte ist 26 Jahre alt. Die genauen Hintergründe der Tat waren zunächst unklar.

Zuvor waren hunderte Demonstranten wegen der Polizeischüsse auf den 29-jährigen Afroamerikaner Jacob Blake auf die Straße gegangen. Am Abend hielt sich mindestens eine Gruppe hauptsächlich weißer und schwer bewaffneter Männer in Kenosha auf, die nach eigenen Angaben Grundstücke vor Angriffen von Demonstranten schützen wollten.

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Wie die "New York Times" berichtete, ging die Polizei dem Verdacht nach, dass die tödlichen Schüsse ihren Ursprung in einem Streit zwischen Protest-Teilnehmern und einer bewaffneten Gruppe hatten, die eine Tankstelle bewachten.

US-Präsident Donald Trump kündigte am Mittwoch die Entsendung von Bundespolizisten und zusätzlichen Nationalgardisten nach Kenosha an. "Wir werden Plünderungen, Brandstiftung, Gewalt und Gesetzlosigkeit auf amerikanischen Straßen nicht hinnehmen", schrieb Trump auf Twitter. "Gesetz und Ordnung" sollten wiederhergestellt werden. Es war seine erste Reaktion seit den Schüssen auf Blake.

Der Gouverneur von Wisconsin, der Demokrat Tony Evers, hatte bereits zu Wochenbeginn die Nationalgarde mobilisiert, um der Ausschreitungen Herr zu werden. Trump, der sich selbst als "Präsident von Recht und Ordnung" bezeichnet, wirft Politikern der oppositionellen Demokraten aber regelmäßig vor, nicht ausreichend zu unternehmen, um gegen Ausschreitungen am Rande von Protesten vorzugehen.

Der Präsidentschaftskandidat der US-Demokraten, Joe Biden, rief am Mittwoch zur Ruhe auf. Er erklärte in einer Videobotschaft, mit Blakes Familie gesprochen und ihr "Gerechtigkeit" versprochen zu haben. "Was ich in dem Video (von den Polizeischüssen) gesehen habe, widert mich an." Ein Mal mehr sei ein Schwarzer am helllichten Tag von Polizisten niedergeschossen worden.

"Gegen Brutalität zu protestieren ist ein Recht und absolut notwendig", sagte der frühere Vizepräsident. "Aber Gemeinden niederzubrennen ist kein Protest, sondern unnötige Gewalt." Menschenleben würden in Gefahr gebracht und Geschäfte zerstört. "Das ist falsch." Biden verwies auf Blakes Mutter, die die Gewalt verurteilt und zu friedlichen Protesten aufgerufen hat.

Für Freitag ist in der Hauptstadt Washington ein großer Marsch gegen Polizeigewalt geplant. Er findet am 57. Jahrestag der berühmten Rede "I Have a Dream" ("Ich habe einen Traum") des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King statt.