APA - Austria Presse Agentur

Vertrauen in politisches System ins Minus gekippt

Der vom Institut SORA verantwortete "Demokratie Monitor" sieht das Vertrauen in das politische System Österreichs auf dem tiefsten Punkt seit Erhebungsbeginn 2018. Derzeit sind 58 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass es weniger oder gar nicht gut funktioniert. Gesunken ist das Vertrauen in allen Bevölkerungsgruppen, der Vertrauensverlust fällt im oberen und mittleren Einkommensdrittel der Gesellschaft jedoch stärker aus, hieß es in einer Pressekonferenz am Dienstag.

Das Systemvertrauen lag dabei bereits im Spätsommer/Herbst (Befragungszeitraum August bis Oktober) deutlich unter dem Wert des Vorjahres. Bei 46 Prozent der rund 2.000 online und telefonisch Befragten (repräsentativ für in Österreich lebende Menschen ab 16) war es im negativen Bereich, bei 52 Prozent noch im positiven. Die dann erst so richtig ins Rollen gekommene Inseraten-Affäre und der erneute Lockdown verschärften die Entwicklung dann noch einmal. In einer Follow-up-Befragung (unter rund 500 Personen im November und Dezember) sahen nur noch 41 Prozent das politische System sehr oder ziemlich gut funktionieren, 58 Prozent werteten es als weniger oder gar nicht gut.

In den Jahren davor war das Ergebnis jeweils noch im positiven Bereich gelegen, im Jahr 2020 im Verhältnis 66 zu 32 Prozent, 2019 bei 51 zu 45 und 2018 bei 64 zu 33 Prozent.

"Das Vertrauen in das österreichische politische System ist sehr stark zusammengebrochen", fasste Günther Ogris von SORA das Ergebnis zusammen: "Wir haben das Niveau von Rumänien erreicht, also wirklich tief im Keller." Für die Regierung und die anderen politisch Verantwortlichen sei es höchste Zeit für einen Neubeginn.

Im unteren Einkommensdrittel der Gesellschaft sei das Vertrauen in das politische System seit Erhebungsbeginn 2018 geringer und weniger von aktuellen Ereignissen abhängig, so Studienautorin Martina Zandonella. Aktuell denke nur knapp ein Drittel (31 Prozent) der Menschen im unteren Drittel, dass das politische System gut funktioniere - im Vergleich zu 42 Prozent in der Mitte und 54 Prozent im oberen Drittel. Mit der ökonomischen Unsicherheit gingen Erfahrungen von Ungleichwertigkeit und fehlender Repräsentation einher, die dem demokratischen Prinzip der politischen Gleichheit widersprechen und mit dem geringen Vertrauen in Zusammenhang stehen.

Im Zuge der Corona-Pandemie haben laut SORA nun auch Menschen aus der Mitte und dem oberen Drittel der Gesellschaft die Erfahrung gemacht, dass ihre Lebensumstände in der Politik weniger Beachtung finden. So berichten für die Zeit vor der Pandemie 70 Prozent der Menschen im oberen Drittel und 57 Prozent der Menschen in der Mitte, dass bei politischen Entscheidungen auch ihre Lebensumstände berücksichtigt wurden. Für die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung denken dies jedoch nur 51 Prozent des oberen Drittels und 38 Prozent der Mitte.

Gelitten hat das Systemvertrauen laut SORA außerdem unter der Inseraten-Affäre: Derzeit sind rund 90 Prozent der Menschen davon überzeugt, dass die österreichische Politik ein Korruptionsproblem hat. Dabei wird Korruption nicht nur mit einzelnen Personen oder Parteien verbunden: 41 Prozent der Menschen gehen davon aus, dass das, was die Chats rund um Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz gezeigt haben, typisch für alle Parteien ist. Den Schaden derartiger Entgleisungen politischer Eliten tragen laut der Forscherin also nicht nur die direkt Beteiligten, sondern das gesamte politische System.

Nach wie vor denken aber 88 Prozent der Menschen in Österreich, dass die Demokratie - trotz mancher Probleme - die beste Staatsform ist. Dieser Wert sei über die Erhebungsjahre hinweg auch weitgehend konstant, hieß es. 75 Prozent sprechen sich für eine Stärkung der Demokratie aus, im Moment seien diese Stimmen aber sehr leise, weil die Diskussion um die Pandemie-Maßnahmen so stark im Vordergrund stehe, so Zandonella.