"Verwegen. Mutig. Radikal": Feministische Avantgarde im Film

Sie habe mit ihrem Filmprojekt 2017 begonnen, als sie im mumok über die Ausstellung "Feministische Avantgarde der 1970er-Jahre" als Fernsehjournalistin einen Beitrag gestaltete und feststellen musste, dass es im ORF-Archiv fast kein Material über die Künstlerinnen der 1970er-Jahre gab, erzählte Riegler bei der umjubelten Filmpremiere in Wien. In der festen Überzeugung, wichtige dokumentarische Arbeit zu leisten, habe sie dann zu drehen begonnen und bereits viele Interviews absolviert, obwohl die Finanzierung weiterhin offen und das Interesse des ORF "enden wollend" gewesen sei. In dieser Situation sei die Sammlung Verbund mit finanzieller Unterstützung eingesprungen.
Radikale Arbeiten und trockene Sprüche
Das macht auch durchaus Sinn, hatte doch Sammlungsleiterin Gabriele Schor 2004 ein Alleinstellungsmerkmal für die Firmensammlung gesucht und in den politisch engagierten Künstlerinnen, für die sich der etablierte Ausstellungs- und Museenbetrieb kaum interessierte, gefunden. Also ist der 87-minütige Film, der in den kommenden Tagen einige Male im Wiener Stadtkino und Admiralkino und später wohl vor allem in Museumskontexten zu sehen sein wird, nicht nur die Aneinanderreihung von Kurzporträts, sondern auch eine Würdigung von Schors Initiative, die sich schon in vielen nationalen und internationalen Ausstellungen niedergeschlagen hat.
Die 17 Künstlerinnen, mit denen Riegler gesprochen hat (von der achtzehnten, der 2003 gestorbenen Birgit Jürgenssen, gibt es einen Interview-Ausschnitt aus dem Archiv einer deutschen Fernsehanstalt), sind ein schöner Mix aus Österreicherinnen und internationalen Kolleginnen. Renate Bertlmann, von der auch ihre 2023 abgehaltene Retrospektive "Fragile Obsessionen" im Belvedere 21 gezeigt wird, beeindruckt mit einer Mischung aus gewagten Arbeiten (wie einer Doppel-Penis-Schleuder) und trockenen Sprüchen ("Ich hab immer die Hoffnung, dass auch Männer nachreifen."), Margot Pilz mit ihren Erinnerungen an die einstigen Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, die weiblichen Widerspruch gar nicht gerne sah.
Kunststars und Entdeckungen
Florentina Pakosta erzählt in dem Film u.a. über ihre einst nicht zustande gekommene Ehe, VALIE EXPORT über die Kommentare, die sie bei ihren ersten Versuchen, Frauen-Kunst-Ausstellungen zusammenzustellen, hören musste: "Das ist ja alles sehr interessant, aber wen interessiert das?" Anita Münz zeigt vier Blätter her, die ihre Selbsterweckung und Selbstermächtigung illustrieren und berichtet, wie einst die Behörden deren Ausstellung unter Androhung einer Pornografie-Anzeige verhinderten. Dass sich Schor nach Jahrzehnten dafür interessierte und die Zeichnungen ausstellte, sei ihr wie ein Wunder erschienen, strahlt sie. In Momenten wie diesen ahnt man etwas von der Härte des Kampfes, den diese Frauen jahrzehntelang ausfechten mussten, und vom Glück der späten Aufmerksamkeit.
"Verwegen. Mutig. Radikal." konfrontiert aber auch mit dem internationalen Kunststar ORLAN oder der 2022 von der Kunsthalle Wien mit einer Personale gewürdigten Kroatin Sanja Iveković, die in Jugoslawien mit ihren feministischen und aktivistischen Positionen immer wieder für Aufsehen sorgte, und lässt auch einige Entdeckungen machen. Die 83-jährige Wiener Bildhauerin Gerda Fassel zählt dazu, die US-Amerikanerin Martha Wilson, die niederländische Performance- und Videokünstlerin Lydia Schouten, die jugoslawisch-ungarische Performerin und Filmemacherin Katalin Ladik, Gabriele Stötzer, die in der DDR eine feministische Kunstpionierin war, oder die Deutsche Annegret Soltau, die offensiv ins Bild rückte, was sonst peinlich verschwiegen wurde: den weiblichen Körper und den rohen männlichen Umgang mit ihm.
Weitere Termine in Stadt- und Admiralkino
"Verwegen. Mutig. Radikal." wird im Stadtkino noch am Freitag (7. März, 17 Uhr), Sonntag (9. März, 13 Uhr, mit anschließendem Künstlerinnengespräch) und Montag (10. März, 17.30 Uhr) gezeigt, im Admiralkino gibt es am 19. März um 19.30 Uhr den Film zu sehen und danach ein Gespräch mit Susanne Riegler und Gabriele Schor. Und hoffentlich gibt es auch bald einen ORF-Sendetermin für diesen Film, der den Kulturauftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders par excellence erfüllt.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
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