Viel Applaus für "Der Idiot" bei Salzburger Festspielen
Das lange verkannte Werk startete seinen Siegeszug erst vor gut zehn Jahren, als die erste vollständige Aufführung in Mannheim dank eines Dirigentenfreundes des Komponisten umgesetzt werden konnte, der das Werk begeistert wiederentdeckte. Ebenfalls begeistert von Weinbergs Musik ist Mirga Grazinyte-Tyla, die sich seit Jahren intensiv mit dem Komponisten auseinandersetzt und ihr Debüt am Pult der Wiener Philharmoniker gab, das allerdings nicht nach erster Begegnung, sondern eingespieltem Team klang. Überhaupt war ein großer Teil des musikalischen Erfolgs des Abends der Dirigentin zu verdanken, die 2012 den Young Conductors Award der Festspiele gewann und jetzt zum Ort ihres Karrierebeginns zurückkehrte. Extrem durchsichtig und fein aufgeteilt positionierte sie die Instrumente, ließ sich auch in die einzelnen filmisch anmutenden Streicherpassagen ziehen, ohne dabei dem Kitsch zu verfallen und hielt dabei stets eine große Klangwolke über der Kulisse der Felsenreitschule fest.
Dieses Volumen brauchte es auch, um die großangelegte Kulisse von Regisseur Krzysztof Warlikowski zu füllen, der die Handlung in eine holzvertäfelte Halle verlegt hatte, die symbolisch wie die Bahnhofshalle wirkte, in der Fürst Myschkin zu Beginn der Oper ankommt, ohne im Verlauf des Werks je richtig anzukommen. Weinberg und sein Librettist haben die knapp tausendseitige Romanvorlage in einen gut dreieinhalbstündigen Abend reduziert und in einzelne Kapitel aufgeteilt, die der Regisseur auch als solche inszenierte. Wie an- und abreisende Zuggäste geisterten diese Handlungsabschnitte durch die Halle, in der einzelne, für Warlikowski so typische Symbole wie ein offener Ofen, eine große Tafel, auf der auch immer wieder große Projektionen erschienen, oder eine Tafel, auf der mal gespeist und mal gelegen wurde platziert waren. Statisch wurde dies in den gut dreieinhalbstündigen Aufführungsdauer nie.
Die Lebhaftigkeit dieser großen Inszenierung stützte sich großen Teils auch auf die durchwegs intensiven Interpretationen des Ensembles. Hier waren ausgeklügelte Charaktere zu hören und zu sehen, angefangen mit Bogdan Volkov, der dauerhaft Präsenz hielt, die im starken Kontrast zu der zerbrechlichen, fast träumerischen Natur des Fürsten Myschkin stand, der nach langem Aufenthalt im Sanatorium zurück in die Heimat kehrte. Diese Ambivalenz, stets etwas zweifelnd und verträumt klingend, verstärkte die Tragik und Tiefe der Rolle. Dass seine Liebe zu Nastassia nicht glücklich enden kann, war ab dem ersten Auftritt von Ausrine Stundyte gesetzt, die die abgebrühte und selbstverliebte Männerfresserin gab, die sie intensiv und kraftvoll in ihrer Stimme ausstattete, was den Klang ihres Soprans manchmal auch etwas derb klingen ließ. Das Derbe zelebrierte auch Vladislav Sulimsky mit seinem Rogoschin, den er als Opernbösewicht mit grollender Durchschlagskraft par excellence gab. Ebenso der Rest des Ensembles und auch die Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor gaben eine glänzende Leistung ab. Am Ende hagelte es für alle Beteiligten großen Applaus und zahlreiche Bravorufe.
(Von Larissa Schütz/APA)
(S E R V I C E - Mieczysław Weinberg: "Der Idiot". Mirga Grazinyte-Tyla: Musikalische Leitung, Krzysztof Warlikowski: Regie, Małgorzata Szczesniak: Bühne und Kostüme, Felice Ross: Licht, Kamil Polak: Video, Claude Bardouil: Choreografie, Christian Longchamp: Dramaturgie. Auf der Bühne: Bogdan Volkov: Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin, Ausrine Stundyte: Nastassja Filippowna Baraschkowa, Vladislav Sulimsky: Parfjon Semjonowitsch Rogoschin, Iurii Samoilov: Lukjan Timofejewitsch Lebedjew, Clive Bayley: Iwan Fjodorowitsch Jepantschin, General, Margarita Nekrasova: Jelisaweta Prokofjewna Jepantschina, seine Frau, Xenia Puskarz Thomas: Aglaja Iwanowna Jepantschina, Jessica Niles: Alexandra Iwanowna Jepantschina, Pavol Breslik: Gawrila (Ganja) Ardalionowitsch Iwolgin, Daria Strulia: Warwara (Warja) Ardalionowa Iwolgina, Jerzy Butryn: Afanassi Iwanowitsch Totzki, Alexander Kravets: Messerschleifer. Herren der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, Pawel Markowicz: Choreinstudierung, Wiener Philharmoniker. Weitere Aufführungen am 11., 15., 18., und 23. August, www.salzburgerfestspiele.at)
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