APA - Austria Presse Agentur

Viel mehr als Carmen: Hasti Molavians Solo im Volkstheater

Ein über der Bühne schwebendes Auto, eine Sängerin mit einem an die Falknerei erinnernden Sensor-Handschuh, mit dem sie elektronische Zusatz-Klänge selbst steuern kann, eine Verschränkung von westlicher Operntradition und persischem Sprechgesang, persönliche Erinnerungen an eine Kindheit im Iran und eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Gegenwart. Das Projekt "Ich bin Carmen und das ist kein Liebeslied" zeigt: So geht zeitgenössisches Musiktheater.

Hasti Molavian, 1988 in Teheran geboren, verließ ihre Heimat, um ihren Traum, Opernsängerin zu werden, zu verwirklichen. Die in Essen ausgebildete Mezzosopranistin arbeitete in Dortmund und Bielefeld und ist seit 2020 Ensemblemitglied am Volkstheater Wien. Dort wurde am Freitag ihr interkultureller Opernabend, der im November im Bremen seine Uraufführung gefeiert hatte, gezeigt. Als einmalige Aufführung. Bei der es - nicht nur wegen der gestrigen enthusiastischen Publikumsreaktionen - keinesfalls bleiben sollte.

"Ich bin Carmen und das ist kein Liebeslied" (im Original-Titel ist eine Passage auf Farsi eingefügt, Anm.) steht in vieler Hinsicht für das, was Theater heute leisten sollte - und auch für das, was sich Volkstheater-Direktor Kay Voges vorgenommen hat. Der 80-minütige Abend liefert die Befragung von Traditionen mit modernen Mitteln, ist auf berührende Weise persönlich und gleichzeitig politisch, schlägt eine Brücke zwischen den Kulturen, hat Tiefgang mit Augenzwinkern.

Hasti Molavian wechselt immer wieder die Rolle zwischen der Bühnenfigur Carmen und der Sängerin, die sich an ihren Werdegang erinnert. Als Siebenjährige habe sie auf dem Weg zum Geigenunterricht ihr Instrument in einem blauen Müllsack verstecken müssen, erzählt sie. Die zur Kunstinstallation und Projektionsfläche (die Videos von Kai Wido Meyer reflektieren die Arbeiten von Abbas Kiarostami) verfremdete, schwebende Auto-Karosserie, mit der sich die Protagonistin immer wieder in die Lüfte erhebt, erinnert an die kleinen Rückzugs- und Freiheitsorte im Mullah-Regime, liest man nach.

Viele historischen und kulturellen Anspielungen und Querverweise - etwa zum Sprechgesang Naghali oder zum Kampfsport Pahlevani, der mit dem Stierkampf kontrastiert wird - muss man erst mit Lektüre dechiffrieren. Das ist aber egal, denn die Bilder faszinieren und interessieren. Und dazwischen gibt es an dem von Paul-Georg Dittrich inszenierten Abend, an dem die Komponisten Tobias Schwencke und Christopher Scheuer an Klavier und Keyboards rechts und links der Spielfläche live mitwirken, genug Material aus der eigenen Kultur-Tradition - etwa Musik von Georges Bizet, unzählige "Habanera"-Versionen inklusive.

Im Iran wurde nach der islamischen Revolution Musik verboten und geächtet. "Leben ist Selbstbestimmung, und niemand soll mir mehr vorschreiben dürfen, wie ich zu leben habe, noch, was Musik ist", sagt Hasti Molavian. Dass das für sie nicht nur so dahingesagt ist, hat sie mit diesem kräftigen Solo eindrucksvoll bewiesen.