Viele Akademiker auf den Wahllisten der Parteien

Wer studiert schafft es eher auf den Wahlvorschlag zum Nationalrat
Auf den Bundeslisten der Parteien für die Nationalratswahl stehen überdurchschnittlich viele Akademikerinnen und Akademiker. Alte - und auch junge - Menschen sind hingegen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung unterrepräsentiert.

Das geht aus Berechnungen des gewerkschaftsnahen Momentum Instituts hervor. Mindestens ein Drittel der Kandidatinnen und Kandidaten für den Nationalrat hat demnach einen akademischen Titel. In der Bevölkerung ist es nur gut ein Fünftel.

In einem "Policy Brief" listet Momentum auf, "wer uns im Parlament (nicht) vertritt". Dafür wurden Daten von Bildungs- und Innenministerium, der Statistik Austria sowie aus wissenschaftlichen Studien verwendet. Die Informationen zu den Kandidierenden stammen von den offiziellen Bundeswahlvorschlägen. Zur Analyse wurden jeweils die Top 50 der Listen verwendet. Sind weniger auf der Liste, wurden alle miteinbezogen.

48 Prozent der Personen auf den Listen haben studiert oder sind gerade in einem Studium. Unter der Gesamtbevölkerung sind 21 Prozent Studierte. Beachten muss man, dass das Angeben von Titeln auf den Parteilisten nicht verpflichtend ist. Bei der erhobenen Zahl an Akademikern handelt es sich also um einen Minimalwert. Demnach haben wenigstens 33 Prozent unter den Wahlvorschlägen einen akademischen Abschluss. 12 Prozent entfallen auf Doktorate, 21 Prozent auf Master- und Bachelorabschlüsse. Doktortitel sind somit noch stärker überrepräsentiert. In der Gesamtbevölkerung hat lediglich ein Prozent einen solchen. Die restlichen 20 Prozent dürfen sich Master oder Bachelor nennen. Um eine Vergleichsbasis zwischen den Berufsgruppen zu schaffen, hat das Momentum Institut nur Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren einbezogen. Bei den Kandidatenlisten wurden Pensionistinnen und Pensionisten exkludiert.

Der Altersvergleich berücksichtigt freilich alle Personen ab 18 Jahren. 33 Prozent der Bevölkerung ist 60 Jahre und älter. Auf diesen Wert kommen die Parteilisten kaum. Bei ÖVP und SPÖ sind jeweils 18 Prozent in dieser Gruppe. Die KPÖ kommt auf 20 Prozent, die FPÖ auf 12. Grüne, NEOS und Bierpartei liegen noch deutlich darunter. Den höchsten Anteil an älteren Personen haben die Liste Madeleine Petrovic mit 35 und MFG mit 32 Prozent.

Umgekehrt sucht man Kandidierende zwischen 18 und 29 bei ÖVP (8 Prozent), SPÖ und FPÖ (beide 6) eher vergeblich. Die NEOS liegen hier mit 28 Prozent voran, es folgen Grüne (20), Bierpartei (18), "KEINE" (17) und KPÖ (14). Der Vergleichswert der Gesamtbevölkerung beträgt 16 Prozent. Die größte Gruppe sind bei fast allen Parteien die 30- bis 45-Jährigen. Zwischen 38 (SPÖ, Liste GAZA) und 65 Prozent (Bierpartei) von ihnen finden sich auf den Wahlvorschlägen. Lediglich die Liste Petrovic und MFG scheren aus.

Auch ein Blick auf die Berufe der Personen auf Bundeslisten zeigt ein Ungleichgewicht. Nur jeweils 4 Prozent sind im Dienstleistungsbereich sowie in Handwerk und Hilfsarbeit tätig. In der erwerbstätigen Bevölkerung sind es 20 bzw. 32 Prozent. Überrepräsentiert sind die potenziellen Abgeordneten in akademischen Berufen mit 37 Prozent (Gesamtbevölkerung: 18) und Führungspositionen mit 31 Prozent (4). Zu letzterer Kategorie zählen allerdings auch Berufspolitikerinnen und -politiker. 12 Prozent der Kandidierenden sind selbstständig, gegenüber 6 Prozent der Erwerbstätigen.

Frauen sind auf den Listen zu 46 Prozent vertreten, in der Bevölkerung zu 51 Prozent. Am weiblichsten sind die Grünen und "KEINE" mit 54 Prozent. Für die FPÖ treten mit 34 Prozent die wenigsten Frauen an. SPÖ, NEOS und KPÖ listen gleich viele Frauen und Männer auf.

Das Momentum Institut hat auch untersucht, wer in Österreich wählen darf. Jeder fünfte in Österreich arbeitende Mensch (19,9 Prozent) hat eine ausländische Staatsbürgerschaft und ist somit nicht zur Wahl zugelassen. Hier gibt es Unterschiede nach Einkommen und Berufsgruppen. In den untersten beiden Einkommenzehnteln nach Bruttostundenlohn haben 32 bzw. 34 Prozent keine österreichische Staatsbürgerschaft, also auch keine Wahlberechtigung. Bei den obersten Zehnteln liegt dieser Anteil nur bei 11 bzw. 10 Prozent. Unter Hilfsarbeitskräften dürfen 45 Prozent nicht wählen. Der Anteil bei Bürokräften und technischen Berufen liegt bei 12 Prozent.

Die Studie kommt zur Schlussfolgerung: "Das Parlament ist also kein perfekter Spiegel der Gesamtbevölkerung." Für Momentum hat die Repräsentation einen Einfluss darauf, "was dann auch tatsächlich entschieden wird". Lebenserfahrung, Beruf und Geschlecht würden beeinflussen, "welche Probleme wahrgenommen werden und welche politischen Lösungsvorschläge erarbeitet werden", so das Fazit des Instituts.

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