APA - Austria Presse Agentur

Vom Winde erzählt: "Umwelt" bei ImPulsTanz

Das Unwetter will kein Ende nehmen. Es stürmt, mit Krach und Geheul. Maguy Marins kultiges Tanztheaterstück "Umwelt" ist eine kaltschnäuzige Abhandlung über das Raubtier Homo Sapiens.

Das Theaterstück wurde am Donnerstagabend bei ImPulsTanz im Wiener Volkstheater als Reprise gezeigt. Eine dunkle Fabel des menschlichen Verhaltens - vom Winde erzählt. Zwischen zitternden spiegelnden Wänden wird geliebt und gebeutet, gewollt und gemüllt. Mit nur 15 Jahren firmiert das Stück als "Classic".

2004 entstanden und bereits zweimal - 2006 und 2009 - in Wien gezeigt, sorgte "Umwelt" bei seiner Uraufführung in Frankreich für offene Empörung im Publikum. Dass solche Reaktionen schon 15 Jahre später nicht mehr im Ansatz nachvollziehbar sind, deutet auf eine rasante Entwicklung nicht nur der Normen des Theaters, sondern auch der gesellschaftlichen Selbstwahrnehmung. Dass der Mensch seine Welt zerstört - aber nicht (nur) mit der großen Geste, gewaltigen Maschinen und gewinnsüchtigen Absichten, sondern mit jeder Regung, mit dem Alltag seines ständigen Habenwollens und Entsorgens, mit der Gier, die in jedem herzhaften Biss in einen Apfel und in mancher Umarmung steckt - das ist in der Zwischenzeit allgemein akzeptierte Tatsache.

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Marins Darstellerinnen und Darsteller agieren gleichzeitig, aber nicht gemeinsam. Jeweils wenige Sekunden lang treten sie zwischen den Spiegelwänden hervor und zeigen Menschenverhalten wie in einem Tierexperiment. Sie ziehen einen Arztkittel an, die küssen sich, sie essen etwas, sie werden in Handschellen gelegt, sie schlagen sich, sie setzen eine Sonnenbrille auf, sie zupfen eine Perücke zurecht, sie rauchen eine Zigarette, spielen die Mandoline, sie werfen einen Kübel Schutt an die Rampe, ein Stück Fleisch, nachlässig anprobierte Kleider.

Was sie begehren, tragen sie wie Beute über die Schulter - nackte Frauen, tote Tiere, Plüschtiere. Weil sie wissen, dass sie die Krone der Schöpfung sind, setzen sie sich immer wieder eine auf. Zerzaust vom Wind, betäubt vom Dröhnen der Sturmgeräusche. Nach einer Stunde ist Schluss, der Wind legt sich und die Bühne ist voller Müll. Ein Schluss ohne Ende.

Die Menschen hätten zu wenig Geduld – auch für das Theater – vermutete Marin im APA-Gespräch. Um die Dramaturgie des Stücks zu erkennen, das langsame Crescendo der Ausbeutung, müsse man genau hinschauen, die Variationen der Details beobachten. "Wie in der Natur."

(S E R V I C E - "Umwelt" von Maguy Marin. Weitere Vorstellung am Samstag, 24. Juli 21 Uhr, Volkstheater. www.impulstanz.at)