Vor zweiter Verhandlungsrunde für UNO-Plastikabkommen

Plastikmüll ist ein globales Problem
Wenn es klappt, wäre es ein epochaler Schritt zu einem nachhaltigen, umweltschonenden Wirtschaften. Wenn es scheitert, wäre es bloß ein weiteres Lippenbekenntnis für Veränderung bei gleichzeitiger ungebremster Zerstörung der Lebensgrundlagen dieses Planeten. Seit dem Vorjahr verhandeln die UNO-Staaten über ein globales Plastikabkommen, das die weltweite Verschmutzung durch Kunststoffe beenden soll. Von 29. Mai bis 2. Juni geht es in Paris in die zweite Verhandlungsrunde.

Die Dimensionen sind beachtlich und mit den UNO-Klimakonferenzen (COP) vergleichbar: 1.500 bis 1.600 Delegierte werden erwartet, und schon zuvor setzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein Zeichen und lädt Umweltministerinnen und Umweltminister mit NGOs zum öffentlichkeitswirksamen Dialog. Auch der Weltumwelttag am 5. Juni ist heuer dem Kampf gegen die Plastikverschmutzung gewidmet. Mikroplastik ist bereits längst im menschlichen Körper nachweisbar, die Plastikmüllteppiche der Ozeane (wie der "North Pacific Garbage Patch") haben gigantische Ausmaße angenommen.

Bei einem Systemwechsel Richtung Kreislaufwirtschaft könne bis 2040 die Plastik-Neuproduktion mehr als halbiert und der in die Umwelt gelangende Plastikmüll um über 80 Prozent reduziert werden, rechnete in der vergangenen Woche ein Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) vor. "Die Art und Weise, wie Gesellschaften Kunststoffe produzieren, verwenden und entsorgen, verschmutzt die Ökosysteme, gefährdet die menschliche Gesundheit und destabilisiert das Klima", sagte Inger Andersen, die Exekutivdirektorin von UNEP, bei der Präsentation und verwies darauf, dass die Menschen in den ärmsten Ländern und Regionen am meisten darunter leiden. "Aus dem Wundermaterial ist ein katastrophales Material geworden - zumindest in der Art und Weise, wie wir es verwenden."

In Paris soll es, nachdem es zum Auftakt im November in Uruguay vor allem um formale Fragen gegangen war, nun an die konkrete inhaltliche Arbeit gehen. "Auf dem Tisch liegen verschiedene Szenarien, deren Bandbreite sehr groß ist", schildert Greenpeace-Expertin Lisa Panhuber im Gespräch mit der APA. "Natürlich haben wir Sorge, dass eine sehr verwaschene Absichtserklärung herauskommen könnte, an die sich niemand halten muss - doch die Zeichen stehen gut."

Zwei Umstände geben Grund zu Optimismus: Zum einen hat sich ausgehend von Staaten wie Ruanda, Ecuador und Peru eine "High Ambition Coalition" gebildet, die es schon in der ersten Verhandlungsrunde geschafft hat, dass nicht nur Müllbeseitigung und -vermeidung, sondern auch die Neuproduktion von Plastik Gegenstand des Abkommens sein soll. Zum anderen gibt es auch in der Plastikindustrie, deren Jahresproduktion mittlerweile bei rund 400 Millionen Tonnen liegt, einflussreiche Stimmen, die für eine scharfe und eindeutige Regelung eintreten. Der Hintergrund ist klar: Um auch in der Zukunft hohe Umsätze lukrieren zu können, möchte man wissen, woran man ist. Weltweit wird viel Geld in Forschung gesteckt - und ortet man im Recycling gute Gewinnspannen. Konträr die unter Druck geratene Öl- und Gasindustrie: Sie setzt noch stärker darauf, der Plastikindustrie auch künftig den Rohstoff zu liefern.

In Österreich, wo der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen bei 150 Kilogramm liegt, haben Unternehmen wie ALPLA und Greiner (nach der Borealis AG die Nummern zwei und drei in Österreich) die Plattform "Verpackung mit Zukunft" gegründet, an der auch Coca-Cola und Nestlé beteiligt sind - Industriegiganten, deren Plastikflaschen und Verpackungen täglich zu Millionen im Müll oder in der Natur landen. Hierzulande kommt 2024 eine verbindliche Mehrwegquote und 2025 ein Pfand auf Einweggebinde wie PET-Flaschen und Dosen - immerhin ein Anfang für den geforderten radikalen Systemwechsel. Die OMV arbeitet seit Jahren in der Raffinerie Schwechat an einem "ReOil"-Verfahren, bei dem aus Plastik wieder Rohöl gewonnen werden soll. Das chemische Recycling, das bis 2026 in industriellem Maßstab eingesetzt werden soll, wird von Umweltschutzorganisationen wegen des hohen Energieaufwands jedoch ebenso skeptisch beurteilt wie die Herstellung von "Bio-Plastik", das auch in den UNEP-Zukunftsszenarien derzeit keine große Rolle spielt.

Plastik stellt die Welt aber nicht nur vor große technische Probleme bei der Müllbeseitigung und der künftigen Produktion, sondern auch vor soziale und politische Herausforderungen. Eine "just transition" müsse den Ländern, bei denen die reichen Länder des Nordens bisher buchstäblich ihren Müll abgeladen haben, unter die Arme greifen, lautet die Forderung. Nicht nur beim Säubern von Stränden und Deponien, sondern auch beim Entwickeln von Einkommens-Alternativen für Menschen, die bisher mit Müllsammeln und -verwerten ihren kargen Lebensunterhalt bestritten haben, müsse es zu fairen Lösungen und einem globalen Hilfsfonds kommen. Immerhin wird der weltweite jährliche Umsatz der Plastikindustrie auf 70 Milliarden Euro geschätzt.

Was kann beim globalen Plastikabkommen nun herauskommen? "Der Super-GAU wäre, wenn man sich darauf einigt, dass die Plastikverschmutzung ein weltweites Problem ist, gegen das die einzelnen Länder etwas unternehmen sollen", sagt Panhuber, die selber in Paris dabei sein wird. Und das Best Case Szenario? "Das würde besonders gefährliche Kunststoffe verbieten und für die anderen verbindliche, jährlich steigende Quoten für Reduktion und Recycling einführen. Dafür bräuchte man Transparenz, um einen Naming und Shaming Effekt zu erzielen, aber auch Sanktionen für Länder, die sich nicht daran halten."

Der Druck wächst. Unlängst hat eine Gruppe von 25 Europaparlamentariern aus fünf Parteien in einem Offenen Brief an Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans ein stärkeres Engagement der EU gegen Plastikverschmutzung und für eine Transformation der Kunststoffindustrie gefordert. Bei der UNO sind zumindest die zeitlichen Ziele ambitioniert. Die dritte Verhandlungsrunde ist für November in Nairobi angesetzt, die vierte in Kanada und schon im Herbst 2024 will man in Südkorea zu einem Ergebnis kommen. Dann könnte das globale Plastikabkommen bereits 2025 in Kraft treten.

(S E R V I C E - https://www.unep.org)

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