Vorarlberg-Wahl: "Alter Glanz" der ÖVP wich neuer Realität
2019 und noch stärker 2014 blieb sie in niedrigen 40er-Prozentwerten stecken, dieses Mal droht laut Umfragen sogar der Sturz unter die 40-Prozent-Marke. Mit der "Wirtschaftsbund-Affäre" durchlebte die Partei in den vergangenen Jahren dunkle Stunden. Doch geht ohne die ÖVP in Vorarlberg weiter nichts. Landeshauptmann Markus Wallner sitzt fest im Sattel.
Die Dominanz der Vorarlberger Volkspartei seit 1945 ist durch die Wahlergebnisse dokumentiert. In der Zweiten Republik gab es noch nie einen Landeshauptmann aus einer anderen Partei, und gerade bei vier Landtagswahlen rutschte man unter die 50 Prozent. Die ÖVP verstand sich seit jeher nicht nur als Partei der Mitte, sondern tatsächlich als "Volkspartei", die bis auf die extremen Ränder inhaltlich alles abdeckt und im Zweifelsfall nach rechts schielt. Selbst in der Arbeiterkammer haben die Christ-Gewerkschafter das Sagen. Solange es zeitgemäß schien, trat der Vorarlberger Landeshauptmann - seit 1945 kam das Land mit fünf Regierungschefs aus - immer auch als "Landesvater" auf.
Erst in den 1980er-Jahren wurde Vorarlbergs Politik durch die Grünen etwas bunter, 1994 rutschte die Volkspartei erstmals unter die 50 Prozent, und das mit 49,95 Prozent auch noch denkbar knapp. 1999 schien die Macht zu erodieren. Die immer stärker werdenden Freiheitlichen unter Hubert Gorbach drückten die Volkspartei auf 45,76 Prozent, womit diese erstmals gezwungen war, einen Koalitionspartner aufzunehmen. Bis dahin hatte man andere Parteien nur gnadenhalber in die Regierung integriert. 1999 entschied sich die Volkspartei für ein bürgerliches Bündnis mit den Freiheitlichen (die bereits seit 1949 in der Landesregierung vertreten waren) und gestand der FPÖ den Landeshauptmann-Stellvertreter zu.
Doch 2004 und 2009 - nach einem sehr polarisierenden Wahlkampf - stand bei der ÖVP wieder die "5" vorne. Nach dem "Exil-Juden-Sager" des damaligen FPÖ-Chefs Dieter Egger verzichtete die ÖVP 2009 auf einen Regierungspartner, ließ in der Alleinregierung aus Angst vor einer schlechten Nachrede aber jeglichen Mut vermissen. Die Rechnung erhielt die ÖVP bei der Landtagswahl 2014. Es reichte nur noch für 41,79 Prozent. Einen wesentlichen Beitrag zum Absturz lieferten die NEOS, die bei ihrem ersten Antreten den Einzug in den Landtag schafften und der ÖVP viele bürgerliche Stimmen abnahmen. Auch die damals schwierige Situation der Bundes-ÖVP sorgte für Gegenwind.
Wallner, der Herbert Sausgruber zum Ende des Jahres 2011 als Landeshauptmann nachgefolgt war, ging mit dem pragmatischen Johannes Rauch eine schwarz-grüne Koalition ein, die nicht zuletzt auf dem guten Verhältnis der beiden Politiker zueinander beruhte. Auch unter dem türkisen Sebastian Kurz blieb die ÖVP Vorarlberg schwarz und pochte - wie die Jahrzehnte zuvor - auf Eigenständigkeit.
Ihre größte Krise der vergangenen Jahrzehnte erlebte die Partei im Jahr 2022 mit der sogenannten "Wirtschaftsbund-Affäre", in deren Zug auch Korruptionsvorwürfe gegen Wallner laut wurden und in einem Misstrauensantrag gegen ihn gipfelten. Infolge eines Burn-outs zog sich der Landeshauptmann über den Sommer hinweg zur Erholung zurück. Zu jener Zeit drohte der ÖVP der Fall ins Bodenlose. Doch drehte der Wind nach Wallners Rückkehr. Zwar wird die ÖVP bei der Wahl am 13. Oktober ihr wohl bisher schlechtestes Ergebnis einfahren und unter die 40-Prozent-Marke fallen. Doch ist ebenso wahrscheinlich, dass sie die stärkste Kraft bleibt und politisch ohne ÖVP nichts geht.
So dürfte die ÖVP nach der Wahl erneut in der komfortablen Situation sein, sich ihren Regierungspartner aussuchen zu können - denn alle im Landtag vertretenen Parteien möchten gerne an der Seite der ÖVP mitmachen. Die besten Chancen dürfte die FPÖ haben, doch werfen sich auch die Grünen für eine dritte Regierungsperiode ins Zeug.
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