APA - Austria Presse Agentur

VW-Anleihegläubiger klagen 120 Millionen Euro ein

Im VW-Skandal um manipulierte Dieselfahrzeuge sind nun auch Anleihegläubiger aus aller Welt vor Gericht gezogen. Der Streitwert der in Braunschweig in Deutschland eingebrachten Klage beträgt 119,6 Mio. Euro, wie der Wiener Anwalt Eric Breiteneder der APA berichtete. "Es handelt sich bei den 279 klagenden Parteien ausschließlich um institutionelle Investoren" - auch aus Österreich. Hinter dem Streitwert steht eine Investition von rund einer Milliarde Euro.

Der Vorwurf der rund 750-seitigen Klage: VW habe über das Risiko der begebenen Anleihen nicht korrekt aufgeklärt. Zumindest von 2008 bis Mitte September 2015 habe das Geschäftsmodell des deutschen Autobauers auf der Manipulation von Dieselfahrzeugen beruht, sagte Breiteneder. Dieses hohe Risiko hätte VW einpreisen müssen, also höhere Kuponzahlungen leisten müssen. "Der Ansatz der Klage war erst möglich, nachdem der deutsche BGH (Bundesgerichtshof) im Vorjahr die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bestätigt hat", erklärte der Anwalt.

Den konkreten Schaden für die Anleihegläubiger zu errechnen, war eine Mammutaufgabe. Von einzelnen Teilnehmern an der Gruppenklage seien elektronische Tabellen mit 20.000 Zeilen gekommen, und jeder Investor habe puncto Daten sein eigenes Süppchen gekocht.

Breiteneders Kanzlei wurde von der Stichting Volkswagen Investors Claim, eine Stiftung nach niederländischem Recht, beauftragt, potenziell Geschädigte zu sammeln und deren Daten entsprechend aufzubereiten. "Gemeinsam mit meinem Kollegen Armin Mayerhofer von unserer Kanzlei (und Geschäftsführer der legalminds GmbH) wurde ein Online-Portal geschaffen, das nicht nur die Zusammenarbeit verschiedener Teams (Anwälte und Kaptialmarktsachverständige aus Deutschland, Niederlanden und Österreich) einfach und effizient macht, sondern auch den Austausch von Dokumenten, Transaktionsdaten und Willenserklärungen mit Mandanten aus Australien, den USA, Europa und Asien ermöglicht und beschleunigt", so Breiteneder. Ganz ohne persönlichen Kontakt ging es freilich nicht: "Wir haben Telefonkonferenzen mit der ganzen Welt geführt, von Singapur bis Bermudas, von den USA bis in die Schweiz."

Auf Basis der in Wien vereinheitlichten Daten hat ein deutscher Finanzexperte anhand eines Modells den Schaden - um wie viel höher hätten die Zinsen sein müssen? - der jeweiligen Kläger ausgerechnet. Das fertige Produkt wurde dann der deutschen Kanzlei Nieding + Barth zur Verfügung gestellt. Diese hat die Klage letztendlich eingebracht. Organisiert wurde das alles von der niederländischen Stiftung, die auch einen Vertrag mit einem britischen Prozessfinanzierer hat. Die Kläger haben kein Risiko, müssen dafür aber im Erfolgsfall 35 Prozent der erstrittenen Summe abgeben.

VW-Töchter haben laut Breiteneder insgesamt etwa 550 Anleihen begeben und damit rund 60 Mrd. Euro an Fremdkapital (Nominale) aufgenommen, Garantiegeberin sei stets die VW AG mit Sitz in Wolfsburg im Gerichtssprengel Braunschweig gewesen. An der Klage konnten sich Investoren beteiligen, deren VW-Anleihen im Zeitraum 2008 bis September 2015 noch am Markt verfügbar waren.

"Weil der Finanzierer mit dem Ergebnis sehr zufrieden war, reden wir über eine zweite Klage, die wir wahrscheinlich im Juli auf Schiene bringen", kündigte der Wiener Anwalt an.