APA - Austria Presse Agentur

Weißrussland geht gegen ausländische Journalisten vor

Vor einer erneuten Massendemonstration der Opposition in Weißrussland (Belarus) sind die Behörden verstärkt gegen ausländische Berichterstatter vorgegangen. Mehreren Journalisten wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. So wurden Korrespondenten der Nachrichtenagenturen AFP und AP, der britischen BBC und des US-Senders Radio Liberty sowie der deutschen ARD die Akkreditierung entzogen.

Das dreiköpfige ARD-Kamerateam war am Freitagabend nach Angaben des Westdeutschen Rundfunks (WDR) vor seinem Minsker Hotel festgenommen und über Nacht auf einer Polizeistation festgehalten worden. Bei den Mitarbeitern handle es sich um einen russischen Kameramann und seinen russischen Assistenten sowie einen weißrussischen Producer. Alle drei seien zum Zeitpunkt ihrer Festnahme ordnungsgemäß akkreditiert gewesen.

Die offiziellen Akkreditierungen seien den Kameraleuten inzwischen entzogen worden, erklärte der WDR. Die beiden russischen ARD-Mitarbeiter seien mit einem fünfjährigen Einreiseverbot belegt und nach Russland ausgewiesen worden. Dem belarussischen Producer drohe ein Prozess.

Der ARD-Korrespondent Jo Angerer wurde von dem Sender mit den Worten zitiert, die Kollegen seien nach Dreharbeiten vor ihrem Hotel festgenommen worden und hätten dann mehrere Stunden auf einer Polizeistation verbracht. Ihnen werde vorgeworfen, illegal gedreht zu haben - trotz vorhandener Akkreditierung. Die russischen Kollegen hätten dann eineinhalb Stunden Zeit zum Verlassen des Landes bekommen. Sie dürften Weißrussland nun fünf Jahre lang nicht mehr betreten.

WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn nannte den Umgang mit dem Kamerateam "absolut inakzeptabel". Der Fall zeige, dass eine unabhängige Berichterstattung in Weißrussland "immer weiter erschwert und beinahe unmöglich gemacht wird".

Deutschlands Außenminister Heiko Maas (SPD) verurteilte den Angriff auf die Pressefreiheit. Es sei "überhaupt nicht akzeptabel", wenn Journalisten "willkürlich und ohne jede Rechtsgrundlage festgesetzt und durch den Entzug ihrer Arbeitserlaubnis an ihrer wichtigen Arbeit gehindert werden", erklärte er.

Die belarussischen Behörden teilten nicht mit, wie vielen ausländischen Journalisten genau die Akkreditierung entzogen wurde. Ein Sprecher des Außenministeriums in Minsk erklärte lediglich, die Entscheidung sei auf der Grundlage einer Empfehlung der Regierungskommission zum Kampf gegen Terrorismus und Extremismus gefallen.

Auch belarussischen AFP-Reportern wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. "Es wurde keine Erklärung geliefert", teilte AFP-Chefredakteur Phil Chetwynd mit. Er forderte die Rückgabe der Akkreditierungen, damit die Journalisten "weiter eine unabhängige und unparteiische Berichterstattung über die Ereignisse in Belarus liefern können".

Die Nachrichtenagentur Associated Press verurteilte die Ausweisung von zwei ihrer Journalisten nach Russland. Ihren belarussischen Reportern wurde demnach die Arbeitserlaubnis entzogen.

Die BBC-Journalistin Tatyana Melnichuk sagte der AFP: "Das belarussische Außenministerium rief mich an und teilte mir mit, dass meine Akkreditierung und die einer meiner Kollegen als BBC-Korrespondenten annulliert worden sei". Die Behörden hätten verlangt, dass sie ihren Presseausweis zurückgebe. Der britische Sender verurteilte "aufs Schärfste dieses Ersticken von unabhängigem Journalismus".

Ein Reuters-Sprecher sagte, man habe keinerlei Kenntnis von irgendwelchen Vergehen, die einen Entzug der Akkreditierung rechtfertigen würden. Die Akkreditierungen werden vom Außenministerium in Minsk ausgestellt. Dort war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

Auch die US-Botschaft in Minsk verurteilte das Vorgehen gegen Journalisten. "Wir stehen an der Seite des belarussischen Volkes bei seinem Streben nach einer demokratischen, blühenden Zukunft und unterstützen seinen Ruf an die Regierung von Belarus, Reformen umzusetzen und die Menschenrechte zu respektieren", hieß es in der Botschaftserklärung.

Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja äußerte sich besorgt angesichts der Berichte über das Vorgehen gegen Journalisten. "Wenn das wahr ist, ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass das Regime moralisch bankrott ist und der einzige Weg, wie es sich an der Macht halten kann, Angst und Einschüchterung sind", erklärte sie.

"Diese Taktik wird nicht funktionieren", die Menschen in Belarus ließen sich nicht mehr einschüchtern, sagte die Oppositionspolitikerin weiter. Tichanowskaja war bei der Wahl am 9. August gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko angetreten. Danach floh sie aus Furcht vor Verhaftung nach Litauen.

In Weißrussland tätige Journalisten werden immer wieder unter Druck gesetzt, vorübergehende Festnahmen von Reportern kommen regelmäßig vor.

In dem osteuropäischen Land gibt es seit drei Wochen Massenproteste gegen Lukaschenko. Die Protestbewegung wirft der Regierung massiven Betrug bei der Präsidentschaftswahl vor, die Amtsinhaber Alexander Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen hatte.

Auch die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Wegen der Gewalt gegen friedliche Demonstranten bei Protesten, in deren Zuge bereits fast 7000 Menschen festgenommen wurden, brachten die EU-Außenminister Sanktionen auf den Weg.