APA - Austria Presse Agentur

Weitere Urteile gegen Vertriebsfirma Lyconet - AK warnt

Die Arbeiterkammer Vorarlberg hat im März vor der Firma Lyconet gewarnt. Diese locke junge Menschen mit hohen Gewinnaussichten, sie müssten anfangs in das System einzahlen und genug Mitglieder werben. "Wir erhalten nach wie vor Beschwerden", sagte Paul Rusching von der AK Vorarlberg zur APA. In der Zwischenzeit seien viele weitere Urteile gegen Lyoness bzw. Lyconet ergangen. Die Unternehmensgruppe ist dagegen in Berufung gegangen, sie weist die Vorwürfe zurück.

Die vom Grazer Hubert Freidl gegründete Firmengruppe hat sich 2018 infolge einer Reihe von Gerichtsurteilen umbenannt, sie tritt nun unter den Namen myWorld bzw. Cashback World auf. Gegenüber der APA hielt die Unternehmensgruppe fest, dass die Lyconet International AG und die Lyoness Europe AG "völlig unterschiedliche Unternehmen mit eigenen Geschäftsmodellen" seien. Gemäß dem Lyconet-Geschäftsmodell sei es "überhaupt nicht zulässig, als minderjährige Person eine Vereinbarung mit unserem Unternehmen abzuschließen. Das Unternehmen dulde es nicht, "falsche Versprechungen zu verbreiten oder Minderjährige für Lyconet zu werben."

Lyoness wurde bisher in mehr als 400 Gerichtsverfahren verurteilt und musste Betroffenen ihr Geld zurückzahlen. Im Oktober 2018 stellte der Oberste Gerichtshof (OGH) fest, dass es sich um ein verbotenes Schneeballsystem handle.

Laut Konsumentenschützer Rusching von der AK Vorarlberg sind auch in jüngster Zeit weitere Urteile ergangen, "in denen es regelmäßig heißt, dass die Geschäftsbedingungen der Lyoness Europe AG eine Reihe von ungewöhnlichen, intransparenten und für Konsumenten nachteiligen, gegen die guten Sitten verstoßenden Bestimmungen" enthalte. Gerichte - zum Beispiel das Bezirksgericht (BG) Zell am See oder das Landesgericht (LG) Wiener Neustadt - hätten auch ausgesprochen, dass es für einen durchschnittlich sorgfältigen und verständigen Verbraucher unmöglich festzustellen bzw. kaum vorhersehbar sei, wann und in welcher Höhe er eine Rendite für seine Investitionen erhalten werde. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

In den meisten Urteilen heiße es darüber hinaus, dass es sich beim Geschäftsmodell der Lyoness Europe AG um ein unzulässiges Schneeballsystem handle. Als Beispiel nannte Rusching das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen (LGZ) Graz vom 25. Juni 2020. In diesem werde auf zwei jüngste Entscheidungen des OGH verwiesen, in denen das Höchstgericht das Geschäftsmodell ausdrücklich "als ein unzulässiges Schneeballsystem" beurteilt habe. "Das Gericht betonte, dass es sich dabei um eine Kernaussage des OGH in diesen Entscheidungen handelt", so Rusching.

Das beklagte Unternehmen sieht das ganz anders. Es gebe keinerlei Urteil des OGH, "wonach dieser die Frage, ob die Lyoness Europe AG ein unzulässiges Schneeballsystem betreibt, selbst beurteilt hat." Es habe zwei Entscheidungen des OGH in Verfahren gegen die Lyoness Europe AG gegeben: "Dabei ging es (vereinfacht dargestellt) ausschließlich um die Beurteilung der Frage, inwieweit Mitgliedsvorteile bei der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses in Abzug zu bringen sind. Den diesbezüglichen Revisionen der dortigen Kläger wurde dabei seitens des Höchstgerichts nicht Folge gegeben", so das Unternehmen in seinem schriftlichen Statement gegenüber der APA. "Im Zuge der betreffenden Verfahren vor dem OGH wurde somit überhaupt nicht mehr geprüft, ob es sich um ein 'Schneeballsystem' handelt oder nicht."

In einem der beiden neueren OGH-Urteile, das bereits im Internet abrufbar ist (4Ob10/19b), heißt es: "Dass die Beklagte ein unzulässiges Schneeballsystem betrieb ... und grundsätzlich das an sie Geleistete zurückzuzahlen hat, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig."

Gegen die Urteile aus Zell am See und Wiener Neustadt hat die Lyoness Europe AG "selbstverständlich" Rechtsmittel erhoben, wie sie mitteilte. Das Zeller Gericht habe die Klägerin als Verbraucherin angesehen, obwohl diese selbst nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen die Lyconet-Vereinbarung für "unabhängige Lyconet Marketer" akzeptiert und dabei bestätigt habe, selbstständige Unternehmerin zu sein. Auch das LG Wiener Neustadt habe die Klägerin als Verbraucherin angesehen - zu Unrecht, wie Lyoness meint.

Ein weiterer großer Kritikpunkt von Konsumentenschützer Rusching: "Die Geschäftsbedingungen wurden in der letzten Zeit wiederholt geändert. Es ist aber für mich nicht erkennbar, dass sich dadurch am System an sich grundlegend etwas geändert hätte." Das Handelsgericht (HG) Wien habe in einem - nicht rechtskräftigen - Urteil vom 13. November gesagt, es sei lediglich zu "geringfügigen Änderungen der Fantasienamen für die ... vertriebenen Produkte" gekommen, die Vorgehensweise der Lyoness Europe AG und der Lyconet International AG ziele "alleine auf die Verwirrung des Konsumenten ab" und solle dadurch die Klagbarkeit des Anspruchs des Konsumenten erschweren. In dieser Entscheidung wird laut Rusching auch festgehalten, dass die mWA myWorld Austria GmbH in das unzulässige System involviert sei.

Nach Meinung von Lyoness bzw. Lyconet hat das Handelsgericht dieses Verfahren "äußerst mangelhaft geführt, weshalb dagegen aus einer Vielzahl an Gründen Rechtsmittel erhoben wurde." So sei nicht der Kläger selbst, sondern dessen Sohn als Zeuge einvernommen worden. "Die Vorgehensweise der Lyoness Europe AG und der Lyconet International AG im Zusammenhang mit den von diesen Gesellschaften betriebenen Vertriebssystemen kann im Übrigen schon deshalb nicht auf 'Konsumentenverwirrung' abzielen, da sich diese Geschäftsmodelle ausschließlich an selbstständige Unternehmer richten", so die Unternehmensgruppe. Das Ziel von Lyconet sei es, das Geschäftsmodell für Selbstständige ("Lyconet Marketer") "so transparent und verständlich wie möglich" zu erklären, damit diese Erfolg hätten. Dies erfordere, die Vertragsbedingungen laufend anzupassen, so wie es auch bei anderen Unternehmen der Fall sei.

Heute tritt das Unternehmen unter dem Namen Cashback World auf. Im Angebot hat diese etwa ein Kundenbindungsprogramm für Klein- und Mittelunternehmen, das schon 150.000 Firmen aus 51 Ländern nutzten, wie es vorige Woche in einer Pressemitteilung hieß. Konsumenten verspricht die Cashback World Vorteile, wenn sie bei den Partnerunternehmen einkaufen. 15 Millionen Kunden zähle man.