Weltklimakonferenzen laut Hojesky "Erfolgsgeschichte"

Helmut Hojesky, langjähriger Delegationsleiter Österreichs bei COPs
Am 11. November eröffnet die 29. UNO-Weltklimakonferenz, die COP29, in Baku, Aserbaidschan. Wer wissen will, wie das so abläuft bei einer derartigen Mega-Konferenz, und ob sich der ganze Aufwand rentiert, spricht am besten mit Helmut Hojesky. Der langjährige österreichische Chefverhandler hat 27 der bisher 28 Konferenzen absolviert und nennt es "insgesamt eine Erfolgsgeschichte - mit Höhen und Tiefen, wie bei einer Hochschaubahn".

Diese Hochschaubahnfahrt hat der sich mittlerweile im Ruhestand befindliche Beamte seit 1992 mitgemacht. Wobei der Einstieg bei einem Tiefpunkt erfolgte. "Nach Rio, der erfolgreichen großen Konferenz für Umwelt und Entwicklung, hat das damalige österreichische Team das Handtuch geworfen. Die waren erschöpft von den Vorbereitungskonferenzen in Genf, die jeweils sechs Wochen am Stück gedauert haben. Das geht natürlich aufs Familienleben." In der Folge wurde die Mannschaft aus- und Hojesky eingewechselt. "Ich bin in die Vorbereitungskonferenzen für die erste COP eingestiegen und war dann ab Kyoto, also ab der COP3, Delegationsleiter der Beamt*innendelegation. Und bin das bis zur COP27 geblieben." Pensionsbedingt war die COP28 im Vorjahr in Dubai die erste, die Hojesky nur aus der Ferne verfolgte.

Der studierte Meteorologe, der nach der Zentralanstalt für Meteorologie & Geodynamik und dem Umweltbundesamt an das damalige Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie wechselte, erinnert sich im Gespräch mit der APA gut an die Anfänge: "Bei der COP1 in Berlin 1995 war Angela Merkel als deutsche Umweltministerin die Vorsitzende. Im Vergleich zu heute war das klein - ein paar tausend Teilnehmer*innen. Aber es war schon von Anfang an eine Mischung aus Verhandler*innen, Medienvertreter*innen und Beobachter*innen verschiedener Organisationen. Und es gab auch schon damals eine Ausstellung, eine Art Klima-Messe, bei der Institutionen ihre Arbeit vorgestellt haben. Dieses Rahmenprogramm ist immer größer geworden."

Seither ist alles um mehrere Dimensionen gewachsen, nicht nur die Anzahl der Teilnehmer. "Die Menge und der Detailreichtum von Dokumenten hat irrsinnig zugenommen. Bis 2001 konnte ich noch jedes Dokument lesen. Danach wurde das so umfangreich und spezifisch, dass unser Team immer größer werden musste und wir die Aufgaben verteilt haben."

Wobei der Klimakonferenz-Profi vor falschen Vorstellungen warnt: Natürlich seien die Tage vor Ort für den Austausch, für Detailverhandlungen und vor allem als politische Bühne, die dem Thema entsprechende Medienpräsenz sichere, wichtig, "aber es ist ein laufender Prozess, der nicht nur an den 14 Tagen der eigentlichen Konferenz stattfindet. Mit dem Ende einer COP beginnt man eigentlich schon die nächste vorzubereiten." Österreich sei nicht zuletzt über die EU-Ministerräte eng in die Vorbereitungen eingebunden. Die EU spricht bei den Klimakonferenzen mit einer Stimme.

Das Ergebnis jeder COP sei eine Fülle von oft sehr technischen Einzelbeschlüssen, die die Vertragsparteien in Kleingruppen ausverhandeln. Das Rahmendokument sei hingegen meistens ein Papier, das die Präsidentschaft selbst in Abstimmung mit den einzelnen Gruppen vorschlage. "Wenn das im abschließenden Plenum noch immer nicht passt, kommt es zu den berühmten 'huddles', dann geht das nicht mehr zurück in Kleingruppen, weil man dann eh schon in der Überzeit ist, sondern stellt sich gruppenweise in Ecken des großen Plenarsaals zusammen, geht dann aufeinander zu, um zu verhandeln. Entweder kann man dann dem Präsidenten ein Ergebnis präsentieren - oder man lässt die strittige Passage weg. Oder man verschiebt sie auf die nächste COP."

Wie sehen nun die Ups and Downs in Hojeskys 27-jähriger COP-Erfahrung aus? "Es gibt ein paar Höhepunkte, aber es gibt auch Durchhänger-Konferenzen, wo sich nicht viel abspielt. Man kann nicht jedes Jahr ein neues Abkommen beschließen oder Durchbrüche erzielen. Meilensteine waren sicher 1997 die COP3, der Beschluss des Kyoto-Protokolls, und dann 2001, wo man in Marrakesch die Ausführungsbestimmungen dazu beschlossen hat. Das waren an die 250 Seiten Text. Ein Tiefpunkt war die COP15 in Kopenhagen 2009, wo man versucht hat, das Kyoto-System, also festgeschriebene Treibhausgasreduktionen für Industriestaaten, auf alle Staaten der Welt auszuweiten. Das ist klassisch schiefgegangen. Da war der Prozess ziemlich am Boden, und man hat kurz überlegt, ob man das Ganze von der globalen Ebene auf die regionale UNO-Ebene verschiebt. Das wäre sicher ein massiver Rückschritt gewesen."

Was der absolute Höhepunkt seiner drei Jahrzehnte umfassenden internationalen Verhandlungstätigkeit war - daran besteht für Helmut Hojesky kein Zweifel: Der Beschluss des Pariser Klimaabkommens 2015. "Im Internet schaue ich mir immer wieder die Szenen mit dem minutenlangen frenetischen Schlussapplaus an. Da dabei gewesen zu sein, ist nach wie vor bewegend, ein tolles Gefühl. Das haben wir alle so empfunden."

Dabei seien auch dort die Verhandlungen an der Kippe gestanden. "Die französische Diplomatie hat Großartiges geleistet und die Konferenz schon eineinhalb, zwei Jahre auf allen Ebenen vorbereitet. Doch bis zuletzt hat sich Nicaragua gegen den Beschluss gewehrt. Am Ende hat der Konferenzvorsitzende, der damalige französische Außenminister Laurent Fabius, das fertige Abkommen auf den Tisch gelegt und nur ganz kurz aufgeschaut: 'Hat wer was dagegen? It's adopted!' Man darf da keine fünf Sekunden warten. Dann ist der Nicaraguaner aufgestanden und hat eine Tirade losgelassen, was ihm alles daran nicht passt - und Fabius hat trocken erwidert: 'Wir werden das in den Bericht aufnehmen.'"

Ein Veto kann man bei solchen Konferenzen nicht brauchen. Warum das so ist, hat einen simplen Grund, verrät der erfahrene Beamte: "Man hat sich zwar im Grunde auf Verfahrensregeln, nicht aber auf die Wählregeln darin einigen können. Braucht es eine relative Mehrheit, eine absolute, eine gewichtete oder eine qualifizierte Mehrheit? Darauf wird man sich nie einigen. Daher arbeiten alle Umweltabkommen mit dem Konsensprinzip. Der Nachteil ist: Es ist der kleinste gemeinsame Nenner. Wenn man sich aber die Positionen von erdölexportierenden Staaten auf der einen Seite und der tief liegenden Inselstaaten, die bald untergehen, auf der anderen Seite anschaut, ist es klar, dass es nicht einfach ist, da einen Mittelweg zu finden. Aber selbst schlechte Kompromisse sind besser als nichts. Ich möchte mir nicht vorstellen, wo die Welt wäre, wenn wir die Klimarahmenkonvention und die Folgeabkommen nicht hätten."

Was darf von der COP29 in Baku erwartet werden? "Es ist eine klassische Zwischenkonferenz mit dem Schwerpunkt auf die Umsetzung. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie sehr gut vorbereitet ist. Es ist auch schwierig, wenn sich ein Land erst ein Jahr davor für die Durchführung entscheidet. Frankreich hatte drei, vier Jahre Zeit für die Vorbereitung der Konferenz in Paris, für die COP30 nächstes Jahr in Belem hat Brasilien zwei Jahre Vorbereitungszeit. In Baku soll unter anderem über die Erhöhung des Klimafinanzierungsziels entschieden werden. Wenn das dort nicht gelingt, wird es halt bei der COP in Brasilien zustande kommen."

Helmut Hojesky verströmt einen gelassenen Optimismus, wenn er über die Materie spricht, die sein aktives Berufsleben geprägt hat. Dabei hätte er allen Grund für das Gegenteil. "Der jüngste Emissions Gap Report 2024 der UNO sagt klar: Wenn nur das umgesetzt wird, was jetzt am Tisch liegt, landen wir bei einer globalen Erwärmung von 2,6 Grad. Global sind wir den 1,5 Grad Erderhitzung bereits sehr nahe. Das 'window of opportunity' ist schon sehr klein - und es schließt sich nächstes Jahr. So ehrlich muss man sein. Man muss wirklich sagen: Die Hütte brennt!"

Sind also alle internationalen Anstrengungen der vergangenen drei Dekaden gescheitert? "Noch nicht ganz. Meiner Ansicht nach wäre es aber noch viel schlimmer, wenn wir dieses Instrumentarium nicht gehabt hätten. Das Problem ist, dass der politische Rückenwind, den wir von Paris hatten, nur zwei, drei Jahre gehalten und sich in den letzten Jahren eher zurückentwickelt hat. Schon wieder wird behauptet, dass Klimaschutzmaßnahmen der Wirtschaft und dem Wohlstand schaden. Dabei hat sich die Industrie in der EU auf den Green Deal eingestellt. Da dürfen die Weichen nicht wieder zurückgestellt werden!"

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

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