APA - Austria Presse Agentur

Westbalkan-Erweiterung: Schallenberg nach Skopje und Tirana

Die türkis-grüne Bundesregierung setzt ihre Bemühungen bezüglich einer EU-Erweiterung am Westbalkan am Wochenende fort. Knapp drei Wochen nach EU-Ministerin Karoline Edtstadler reist auch Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) am Wochenende nach Nordmazedonien und Albanien. Das "Besondere" dieses Besuchs sei, dass er gemeinsam mit den Außenministern von Slowenien, Anže Logar, und Tschechien, Jakub Kulhánek, stattfinde, hieß es im Vorfeld aus dem Wiener Außenamt.

Das sei ein ganz klares Signal, "dass Nordmazedonien und Albanien - so wie die anderen Länder am Westbalkan - voll auf unsere Unterstützung zählen können", betonte Schallenberg vor der Reise auch in Richtung Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien. "2020 war ein verlorenes Jahr für die ganze Region - der gescheiterte Beginn der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien war eine herbe Enttäuschung. 2021 darf nicht wieder ein verlorenes Jahr werden, der Flurschaden wird immer größer", so Schallenberg. In der Region finde ein Kampf der Lebensmodelle statt, analysierte der Außenminister. "Wenn die EU nicht endlich Wort hält, dann werden andere Staaten dieses Vakuum füllen."

Slowenien übernimmt am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft, für den seit Ende April im Amt befindlichen neuen tschechischen Außenminister Kulhánek ist es der erste Besuch in dieser Funktion in der Region. Mit Slowenien und Tschechien arbeitet Österreich seit rund einem Jahr auch in der C5-Initiative verstärkt zusammen. Den sogenannten Central Five (C5) gehören auch noch die Slowakei und Ungarn an.

Am Samstag sind in Skopje gemeinsame Termine mit Staatspräsident Stevo Pendarovski, Regierungschef Zoran Zaev und Außenminister Nikola Dimitrov geplant. Am Sonntag sollen in Tirana Gespräche mit Staatsoberhaupt Ilir Meta, Premier Edi Rama und Außenministerin Olta Xhaçka stattfinden.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben vor gut einem Jahr Grünes Licht für den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit Albanien und auch Nordmazedonien erteilt. Wann die Verhandlungen nun aber tatsächlich starten, ist unklar, denn Bulgarien hat ein Veto gegen die Verhandlungen mit Nordmazedonien eingelegt. Dadurch ist auch der Start der Verhandlungen mit Albanien blockiert.

Dabei hat Skopje den Status eines EU-Beitrittskandidaten schon seit Ende 2005, Albanien kam 2014 dazu. Fortschritte im EU-Annäherungsprozess waren aber jahrelang durch den ungelösten Namensstreit mit Griechenland blockiert. Die "Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien" (FYROM) einigte sich 2018 mit Griechenland auf die Änderung des Staatsnamens in Nordmazedonien. Die Lösung wurde von beiden Parlamenten und per Referendum in Mazedonien ratifiziert.

Jetzt blockiert aber Bulgarien die EU-Verhandlungen mit seinem Nachbarland wegen eines Streits um die teils gemeinsame Geschichte. Es wirft Nordmazedonien unter anderem "Diebstahl von Geschichte" vor und weigert sich, die mazedonische Sprache als eigenständig anzuerkennen. Außerdem besteht Bulgarien darauf, dass der neue Name "Republik Nordmazedonien" in voller Länge benutzt wird, weil Nordmazedonien als Teil des geografischen Gebiets Mazedonien zu Bulgarien gehöre. Als problematisch wird die Blockade gesehen, weil die Balkanstaaten auch von Ländern wie Russland, China und der Türkei umworben werden.

Europaministerin Edtstadler (ÖVP) drängte indes bei ihrer Reise Anfang Mai sowie in der vorigen Woche bei einem Treffen in Brüssel auf den gleichzeitigen Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit den beiden Westbalkanstaaten. Es sei an der Zeit, Skopje und Tirana zu signalisieren, dass man für den nächsten Schritt bereit sei. Der ungarische EU-Kommissar Olivér Várhelyi hatte jüngst eine Diskussion darüber losgetreten, ob die EU bei anhaltender Blockade der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien nur Gespräche mit dem Kandidatenland Albanien aufnehmen soll. Österreich lehnt dies ab.

In Albanien wurde vor rund einem Monat ein neues Parlament gewählt. Die Sozialisten von Ministerpräsident Edi Rama können nach acht Jahren an der Macht vier weitere Jahre regieren. Albanien war seit Ende des Zweiten Weltkrieges bis Anfang der 1990 Jahre eine weitgehend isolierte, stalinistische Diktatur. Nach der Wende erlitt das Land 1997 einen Rückschlag. Der Bankrott nach dem Schneeballprinzip arbeitender, die albanische Wirtschaft dominierender Geldanlagefirmen brachte Hunderttausende Albaner um ihre Ersparnisse und den Staat an den Rand des Chaos und Bürgerkriegs.

Das Land ist trotz wirtschaftlichen Aufschwungs nach wie vor arm und von der Auswanderung vor allem junger Menschen geprägt. Weitverbreitete Korruption und mangelnde Rechtsstaatlichkeit machen weiter Probleme. Der Adria-Staat ist seit 1992 Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). Mehr als 150 Million Euro flossen insgesamt an Hilfen von Österreich nach Albanien. Die Austrian Development Agency (ADA), die die OEZA abwickelt, sieht jedoch "beachtliche Entwicklungsfortschritte", insbesondere bei der Armutsbekämpfung und bei der Annäherung an die Europäische Union.

Außenminister Schallenberg war ebenfalls bereits Anfang Mai am Westbalkan unterwegs gewesen. Damals übergab er in Sarajevo - gemeinsam mit EU-Kommissar Várhelyi - die ersten EU-Impfstoffhilfen an Bosnien-Herzegowina. Insgesamt bekommen die sechs Staaten des Westbalkans 651.000 Dosen Impfstoff aus den kollektiven EU-Ankäufen. Österreich hat die Koordinierung und Zwischenfinanzierung übernommen. Auch Edtstadler wurde bei ihren Besuchen in Nordmazedonien und Albanien diesbezüglich aktiv.