Wettbüros: Österreich gewinnt am Abend sein ESC-Halbfinale

Österreich wird sich für das große Finale des 67. Eurovision Song Contest von Liverpool qualifizieren. Das lässt sich jetzt schon mit Sicherheit sagen - zumindest dann, wenn man den Wettbüros vertraut. Die heimischen Kandidatinnen Teya & Salena liegen beim Vergleich von 13 Wettanbietern weiterhin klar auf Platz 1 ihres Halbfinales, das am Abend über die Bühne geht. Die beiden verweisen damit die australische Gruppe Voyager und Andrew Lambrou aus Zypern auf die Plätze.

In der statistischen Gesamtprognose ergibt das eine 94-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass Österreich heuer sein Finalticket löst. Gute Nachrichten für Rot-Weiß-Rot also, erwiesen sich in den vergangenen Jahren die Prognosen derjenigen, die bereit sind, Geld auf bestimmte Kandidatinnen oder Kandidaten zu setzen, doch als erstaunlich präzise.

Wirft man den Blick weiter auf die Einschätzungen für einen Gesamtsieg, dann steht bei der Gesamtschau von 23 Wettbüros (diese Zahl liegt höher als beim Semifinale, zu dem nicht alle Anbieter Wetten freischalten) indes nach wie vor Schwedens ESC-Rückkehrerin Loreen an der Spitze, die mit "Tattoo" ihren Triumph von 2012 mit "Euphoria" wiederholen möchte. Die statistische Wahrscheinlichkeit eines schwedischen Sieges liegt hier bei 49 Prozent - relativ dicht gefolgt von Finnlands etwas härter auftretendem Kandidaten Käärijä mit "Cha Cha Cha", dessen Triumph mit 20 Prozent für Probabilität vorausgesagt wird. Und den Stockerlplatz holt sich Vorjahressieger Ukraine, deren Duo Tvorchi mit "Heart of Steel" knapp vor Frankreich rangiert. Österreich wird hier momentan auf Platz 8 gesehen, allerdings nur mit 1 Prozent Wahrscheinlichkeit für den Gesamtsieg - Prognosen, die sich mit einem wuchtigen Halbfinalauftritt aber selbstredend noch ändern können.

Und überhaupt sind die Aussichten der Wettbüros nicht der einzige Parameter, um die Chancen eines ESC-Songs einzuschätzen. Ein weiterer wären die Abrufe der offiziellen Videos auf Youtube - und hier ergibt sich ein gänzlich anderes Bild, wobei auch in diesem Falle Österreich auf ganz achtbare Zahlen kommt. "Who the hell is Edgar?" wurde demnach bereits 3 Millionen Mal auf dem Videodienst angesehen.

Die von den Wettbüros auf Platz 7 und damit direkt vor Österreich gehandelte Norwegerin Alessandra mit "King of Queens" sieht da mit lediglich 1 Millionen Abrufen schwach aus. Auch Finnlands Favorit Käärijä kommt hier auf im Vergleich dürftige 1,6 Millionen. Am Ende der Skala findet sich indes San Marino mit 0,06 Millionen Abrufen. Besonders gut schlägt sich aus Youtube-Sicht hingegen erneut Loreen mit 5,7 Millionen Abrufen - was allerdings nicht Platz 1 bedeutet. Den reklamiert interessanterweise die gut produzierte armenische Nummer "Future Lover" von Brunette mit 5,9 Millionen für sich.

Ein anderer Maßstab wären die Streams bei Spotify - und die zeichnen wieder ein anderes Bild. Hier liegen Teya & Salena mit 4,7 Millionen eher im unteren Mittelfeld, deklassieren aber die bei Youtube so dominante Armenierin Brunette klar, deren Song "Future Lover" hier auf "lediglich" 2,1 Millionen kommt. Die Norwegerin Alessandra hingegen, die bei Youtube gegen die Österreicherinnen alt aussieht, kommt bei Spotify auf beeindruckende 43,2 Millionen Zugriffe. An der Spitze bei Spotify liegt allerdings die Schwedin Loreen mit 53 Millionen Streams, die hier ihren mutmaßlich schärfsten Konkurrenten Käärijä deutlich hinter sich lässt, der auf 18,1 Millionen kommt. Der italienische Vertreter Mario Mengoni, der bei Youtube mit lediglich rund 300.000 Abrufen im hinteren Feld herumgrundelt, kommt mit "Due Vite" auf 49 Millionen Streams.

Und selbst TikTok lässt sich als Kriterium heranziehen, werben hier doch auf dem offiziellen Channel die Ländervertreterinnen und -vertreter mit kurzen Videoschnipseln ihrer Songs um die Gunst der Fans. Hier liegt die Französin La Zarra mit "Évidemment" und 3,6 Millionen Views vorne, gefolgt von Mengoni aus Italien (1,5 Mio.) und der Norwegerin Alessandra, die auch noch auf 1,4 Millionen Abrufe kommt. Die meisten anderen ESC-Acts sind da im Vergleich weit abgeschlagen, so auch Finnlands Käärijä mit lediglich rund 117.000 Klicks oder Topfavoritin Loreen mit 767.000. Auch Teya & Salena sind hier mit rund 103.000 Views nicht auf den vorderen Plätzen zu finden.

Die Bilanz: Am Ende scheint dann doch wieder alles offen und jeder und jede kann sich seine Begründung für die sicherlich gute Positionierung des persönlichen Favoriten herausgreifen. Noch weit fundierter als diese Analysen setzen sich praktisch alljährlich Wissenschafter mit dem Phänomen Song Contest auseinander. So übersteigt die Zahl der Veröffentlichungen zum Thema mittlerweile jene der Swarovskikristalle auf der Bühne. Jüngstes Beispiel ist die Masterarbeit des Musikologen Muamer Budimlić im Studiengang European Studies der FH Burgenland.

Die empirische Arbeit auf Datenbasis 2016 bis 2022 untersuchte die Topsongs auf die Frage, wie sehr sich in ihnen europäische Identität offenbart. Der gemeinsame Rote Faden seien dabei die drei Qualitäten Solidarität, Diversität und Empathie. Interessant ist dabei die Erkenntnis, dass der ESC offenbar kulturübergreifende Differenzen überbrückt. Zumindest zeigten sich bei der Analyse keine Unterschiede im Wahlverhalten zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten, wenn es um Songs geht, die das Thema Diversity in den Vordergrund stellen. "Fußend auf den Televoting-Zahlen stehen sich die beiden Länder-Gruppen ideologisch also näher, als man vermuten könnte", heißt die Conclusio Budimlićs. (www.fh-burgenland.at)