APA - Austria Presse Agentur

Wien setzt Cluster-Spurensuche rund um Leiharbeit fort

Im großen Corona-Cluster in Wien und Niederösterreich mit verschiedenen betroffenen Einrichtungen und Standorten stehen Beschäftigte von Leiharbeitsfirmen im Zentrum der Infektionskette. Die Bundeshauptstadt setzt deshalb ihre Spurensuche in diesem Umfeld fort. Anschauen will man sich u.a., wo die ausgeliehenen infizierten Post-Mitarbeiter sonst noch beschäftigt waren.

Im Zentrum des Clusters stehen zwei Postzentren in Wien-Inzersdorf und Hagenbrunn (Bezirk Korneuburg), bei denen Dutzende Beschäftigte infiziert waren bzw. sind. Die Belegschaft beider Standorte ist inzwischen in Quarantäne. Das Bundesheer hat im Logistikzentrum Hagenbrunn bereits die Arbeit übernommen, am morgigen Donnerstag passiert dies auch im Verteilzentrum Inzersdorf. Die Ansteckungskette der von Leiharbeitsfirmen gestellten Post-Mitarbeiter reicht auch in ein Asylheim in Erdberg, einen Kindergarten in Liesing, eine Möbelhaus-Logistikzentrale in Floridsdorf und ein Wohnhaus in Simmering.

Deshalb will die Stadt das Thema prekäre Arbeitsverhältnisse und Corona-Fälle nun verstärkt und systematisch unter die Lupe nehmen. Ein Sprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach am Mittwoch von "mehreren Strängen", denen nun nachgegangen werde.

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Einerseits werde nun überprüft, ob jene infizierten Leiharbeiter der Post das Virus auch in ihr privates Umfeld weitergetragen haben. Andererseits werde man ermitteln, ob diese Beschäftigten zeitgleich noch an andere Unternehmen vermittelt wurden, um damit Anhaltspunkte zu haben, ob eventuell auch in weiteren Betrieben noch gehäufte Fälle auftreten könnten.

Einen genauen Zeitplan und Angaben, wie viele Arbeitskräfteüberlasser dabei unter die Lupe genommen werden sollen, gibt es noch nicht. Das Prozedere sei aber bereits angelaufen, hieß es aus dem Hacker-Büro. In weiterer Folge sollen jedenfalls auch andere Leiharbeitsfirmen durchgetestet werden, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Post-Cluster stehen. Denn dort gebe es mehrere Problemfelder in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Mitarbeiter würden teils auf engem Raum untergebracht oder in Bussen zur jeweiligen Arbeitsstelle gebracht. Insgesamt arbeiten im Bereich Arbeitskräfteüberlassung allein in der Bundeshauptstadt rund 16.000 Personen.

Was die Freilegung des bisher bekannten Clusters angeht, wurden laut Hacker-Sprecher in Wien allein rund 1.500 Testungen innerhalb einer Woche - zwischen 1. und 8. Mai - durchgeführt. Im Zuge der geänderten Strategie, nicht nur Verdachtsfälle zu testen, sondern gezielt große Einrichtungen zu screenen, wurden Anfang Mai 357 Abstriche im Flüchtlingsheim "Haus Erdberg" vorgenommen - 26 davon waren positiv. Alle Bewohner wurden daraufhin in das Betreuungszentrum Messe Wien in Quarantäne genommen. Bei den 331 negativ getesteten Asylwerbern wurde ein zweiter Test vorgenommen und dabei noch einmal zwei Infektionen entdeckt.

Gleichzeitig ergab das Contact Tracing, dass Infizierte aus Erdberg Kontakt zu Personen in einem Wohnhaus in Simmering hatten, wo in besonders günstigen Apartments ("Starterwohnungen") auch Asylberechtigte leben. Am 5. Mai wurde also dieser Standort großflächig gescreent. Von 315 Tests waren zehn positiv. Die Gemeinsamkeit beider infizierten Gruppen: Einige davon waren als Leiharbeiter bei der Post beschäftigt.

Somit vereinbarte die Stadt mit der Post, das Verteilzentrum Inzersdorf gezielt zu testen. Am 8. Mai erfolgten rund 500 Abstriche, bei 70 davon ließ sich SARS-Cov-2 nachweisen. Gleichzeitig testete Niederösterreich das Logistikzentrum Hagenbrunn, wo 63 Infizierte entdeckt wurden. Rund 80 Prozent dieser Fälle scheinen allerdings in der Wiener Statistik auf, weil die Betroffenen hier ihren Wohnsitz haben, erklärte der Hacker-Sprecher.

In den Folgetagen stellte sich dann heraus, dass es auch einen Konnex zwischen infizierten Leiharbeitern und sechs Fällen in der Floridsdorfer Logistikzentrale einer Möbelkette sowie zwei Fällen in einem Liesinger Kindergarten gibt. Den überwiegenden Großteil der Infizierten im Cluster hätte man nach der bisherigen Teststrategie, wonach Abstriche nur bei Verdachtsfällen vorgenommen werden, die sich aktiv bei 1450 melden, nicht entdeckt, versicherte der Hacker-Sprecher. Denn 90 Prozent der Betroffenen hatten keinerlei Symptome.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) betonte bei einer Pressekonferenz am Mittwoch einmal mehr, dass es sich dabei um einen "Wien-Niederösterreich-Cluster" handle und das auch "bitte gemeinsam" formuliert werden solle. Er verwehrte sich dagegen, dass in diesem Zusammenhang Parteipolitik betrieben werde. Von Vorteil sei, dass das Epidemiegesetz jüngst geändert worden sei und dass nunmehr bei "bundesländerübergreifenden Clustern die AGES dezidiert beigeschickt werden kann".

Florian Thalhammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Infektiologie, betonte, dass der Cluster auch wenn er unangenehm sei, "aber das Beste ist, was uns passieren kann". Denn damit könne "man eingrenzen, Probleme lösen". Ohne diese Nachverfolgung und Eingrenzung hätte man "sonst ein größeres Problem".