APA - Austria Presse Agentur

Wienbibliothek widmet sich H.C. Artmanns Reisen

"Recht herzliche Grüße vom Ende der Welt": Diesen Satz schickte H.C. Artmann Anfang 1972 von den irischen Asan Islands per Postkarte an Fritz Hochwälder. Und das ist auch der Titel der kleinen Ausstellung der Wienbibliothek, die sich anlässlich des 100. Geburtstags des Dichters der Bedeutung des Reisens in dessen Leben und Werk widmet. Sie ist ab Donnerstag in einem der Loos-Räume in Rathaus-Nähe zu sehen.

Rund 50 Exponate, darunter Fotos, Postkarten von und an Artmann, Briefe, Manuskripte und vollgekritzelte Taschenkalender, erzählen von den diversen Auslandsaufenthalten des 2000 verstorbenen Schriftstellers, aber auch von deren Eingang in seine Texte. Der Besucher bzw. die Besucherin selbst macht dabei nicht gerade viele Meter. Denn die Schau selbst wurde auf drei Vitrinen in einem einzigen Zimmer komprimiert und ist deshalb wohl eher für Fans gedacht denn als Einstieg in den Kosmos des vor allem für seine Dialektgedichte bekannten Autors geeignet.

"H.C. Artmann hatte schon immer eine Sehnsucht nach der Ferne", erläuterte Marcel Atze, neben Gerhard Hubmann Kurator der Ausstellung, im APA-Gespräch: "Schon als Teenager hat er Grammatiken und Wörterbücher in fremden Sprachen gesammelt." So fanden sich in der 3.500 Werke umfassenden Büchersammlung Artmanns, die die Wienbibliothek gemeinsam mit dem Nachlass 2004 erworben hat, an die 300 Sprachlehren. Ein paar davon werden präsentiert. Hier sieht man auch, dass ihr Besitzer im Vorsatz nicht nur das jeweilige Kaufdatum, sondern auch die Orte, an denen er sie zur Hand genommen hat, eingetragen hat. "Allein dadurch könnte man ein Bewegungsprofil über fünf Lebensjahrzehnte erstellen", meint Atze.

Für die ersten realen Auslandsaufenthalte des noch nicht einmal 20-Jährigen sorgte dann im Zweiten Weltkrieg "das Reisebüro Wehrmacht", wie der Kurator es ausdrückt. Artmann selbst bekundete später, der Krieg habe ihn "in absonderliche regionen" geschickt, die er sich "auf keinem atlas erträumt hatte - von einem ort zum andren ort [...]. Und das kann ich mir anscheinend nicht mehr abgewöhnen". Also verbrachte er in den darauffolgenden Jahrzehnten viel Zeit im Ausland - vor allem an den "keltischen Rändern" Europas. Anfang der 1980er-Jahre führte ihn eine Lesereise gemeinsam mit Helmut Qualtinger und Peter Turrini - oder "Stanlie und Laurel", wie er die beiden Reisegefährten in einer Postkarte nennt - nach Los Angeles.

Es geht aber in dieser Mini-Schau nicht nur um die realen Abenteuer von H.C. Artmann, sondern auch um das fiktionale Reisen bzw. intertextuelle Spielereien. So sei etwa Jules Vernes "In 80 Tagen um die Welt" für den Dichter ein zentrales Buch gewesen, erklärt Atze. Motive davon finden sich in der 1972 erschienenen schelmenhaften Erzählung "Der aeronautische Sindtbart oder Seltsame Luftreise von Niedercalifornien nach Crain". Von einer Luftreise, die der Schriftsteller selbst im realen Leben absolvierte, erfährt man in der Ausstellung ebenfalls. 1980 machte er eine Ballonfahrt mit dem Pionier Alfred Eckert. Dem Fahrtbericht ist zu entnehmen, dass die beiden im Gefährt namens "Der Schneider von Ulm" bis zu 900 Meter hoch gestiegen, 14 Kilometer weit gekommen und heil gelandet sind.

(S E R V I C E - "Recht herzliche Grüße vom Ende der Welt! H.C. Artmann zum 100. Geburtstag" in den Loos-Räumen der Wienbibliothek, Bartensteingasse 9/5, 1010 Wien, ab Donnerstag und bis 10. Dezember, www.wienbibliothek.at)