APA - Austria Presse Agentur

Wiener NHM zeigt die Erde als dynamischen Planeten

Das Naturhistorische Museum Wien (NHM) hat den ehemaligen "Kaisersaal" neugestaltet und zeigt darin "Die Erde. Ein dynamischer Planet". Statt Gesteine in Vitrinen aneinanderzureihen, widmet sich die neue Dauerausstellung dem Aufbau der Erde, vielfältigen Bezügen zwischen Litho- und Biosphäre, dem Menschen als geologische Kraft, Ressourcen der Zukunft und der Revolution des Lebens. Zur Vermittlung bedient man sich dabei nicht nur der Kunst, sondern auch interaktiver Stationen.

NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland hofft, dass es gelinge, "mit dem Verständnis für die großen geologischen Zusammenhänge den Planeten Erde in seiner Schönheit als Heimat zu erhalten", wie sie am Dienstag bei der Präsentation der neuen Schau in einem der "schönsten und imposantesten Säle" des Museums erklärte. Das Architekturbüro Schuberth und Schuberth hat den Eckraum zwischen Meteoriten- und Paläontologiesälen hell und luftig gestaltet, eine große Sitzgarnitur im Zentrum lädt zum Ausruhen und Sinnieren ein.

Zum Nachdenken bietet die neue Schau durchaus Anregungen - etwa "dass alles auch ganz anders hätte kommen können", wie Mathias Harzhauser, Leiter der Geologisch-Paläontologischen Abteilung des NHM, erklärte. Das sollen drei exklusive Leihgaben von Originalfossilien aus Gabun zeigen, "die sonst nirgendwo zu sehen sind". Bei diesen sogenannten "Gabonionta" handelt es sich um die frühesten Zeugen mehrzelligen Lebens auf der Erde. Doch die 2,1 Mrd. Jahre alten Mehrzeller starben bald wieder aus. Erst eine Milliarde Jahre später erreichte das Leben wieder einen ähnlichen Komplexitätsgrad. Was passiert wäre, wenn die "Gabonionta" überlebt und den Evolutionsvorsprung von einer Milliarde Jahre genutzt hätten - diesem Gedankenexperiment widmeten sich Studenten der Universität für Angewandte Kunst. Ein Teil ihrer Ideen wird in der Ausstellung gezeigt.

Es ist nicht das einzige Crossover von Naturwissenschaft und Kunst in der neuen Ausstellung: Eine audiovisuelle Installation will mit der von Rupert Huber komponierten "Weltmusik" jene astronomischen Rhythmen erfahrbar machen, die die Erde prägen. Dazu zählen etwa Schwankungen der Umlaufbahn der Erde oder ihrer Erdachse. Ein Blickfang sind die "Fliegenden Steine" des Vorarlberger Künstlers Hannes Ludescher, die von der Saaldecke hängend dem schweren Thema "Stein" Leichtigkeit verleihen.

Beim Blick nach oben sollte man auch der prachtvollen Ausstattung des ehemaligen "Kaisersaals" Aufmerksamkeit schenken, die durch eine neue Lichtarchitektur besser zur Geltung kommt. Dazu zählen nicht nur die Karyatiden, sondern auch Ölgemälde von Orten, die nach dem Kaiser benannt sind - vom "Kaiser Franz Josef Land" bis zur "Franz Josefhöhe mit der Pasterze".

Unter den "Fliegenden Steinen" finden sich verschiedene "echte" Vertreter von Gesteinen, die ob ihrer Größe extra für die neugestaltete Schau angeschafft werden mussten - "weil kein Museum Steine in dieser Größe sammelt", so Harzhauser. Dafür kann man sie auch haptisch erfahren - so wie die rund eine Million Euro teure Neugestaltung des Saals vielfältige weitere Hands-On-Möglichkeiten bietet. Dazu zählen bereits bekannte, um verschiedene Aspekte erweiterte und aktualisierte Exponate wie die Vulkan-Pumpe oder die große halbkugelförmige Projektion "Gaia-Sphäre". Aber auch neue Stationen bieten etwa die Möglichkeit, mit der Kraft der Hände Kontinentalplatten aufeinanderprallen und Gebirge wachsen zu lassen, oder das Wachstum eines Stalagmiten durch unterschiedliche Wasserzufuhr und Temperatur zu beeinflussen.

Was dabei nur simuliert wird, findet in der Realität durchaus statt: Der Mensch beeinflusst mit seinen Aktivitäten die Erde so, dass er als geologische Kraft gilt und mit dem "Anthropozän" ein Erdzeitalter nach ihm benannt werden könnte. Das zeigt auch ein Bohrkern von einer Geothermie-Bohrung aus einem Innenhof des NHM, an dem sich deutlich der Beginn des menschlichen Einflusses abzeichnet. Und die Ausstellungsgestalter stellen auch die Frage, was denn das Leitfossil des Anthropozäns sein könnte. Ihre Antwort: Hühnerknochen, die alljährlich in Milliardenzahl anfallen - in der Schau symbolisiert durch ein Hühnerskelett umringt von Küken.

(S E R V I C E - Internet: https://www.nhm-wien.ac.at/)