APA - Austria Presse Agentur

Wiener Staatsanwälte fordern mehr Geld für Polizeiamtsärzte

Die Staatsanwaltschaft Wien beklagt einen Mangel an polizeilichen Amtsärzten. Diesen komme in Ermittlungsverfahren bei Fällen von häuslicher bzw. gegen Frauen und Kinder gerichteter Gewalt eine tragende Rolle zu, von 30 Planstellen seien derzeit aber nur rund die Hälfte besetzt. "Es bedarf zusätzlicher finanzieller Mittel, um dieses Manko im Sinne des Gewaltschutzes zu beheben", sagte Gerd Hermann, Erster Staatsanwalt bei der Wiener Anklagebehörde, im Gespräch mit der APA.

Bei der Wiener Anklagebehörde sind 14 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auf Gewalt im sozialen Nahraum spezialisiert. Es handelt sich dabei um Fachleute, die darauf geschult sind, in Verdachtsfällen Beweise zu sammeln, mit denen sich ein Fremdverschulden mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit belegen lässt. "Es gibt bei unseren Ermittlungen das große Problem, dass Verletzungen oft nicht besonders gut dokumentiert sind", berichtete Hermann aus dem Alltag der Strafverfolger. Mit ein Grund dafür: in Wien gebe es nicht mehr genug amtsärztliche Gutachter.

"Die Rolle der Amtsärzte sieht unter anderem vor, dass sie im Dienst der Strafjustiz Krankengeschichten aus den Spitälern beischaffen, diese eindeutschen, den Schweregrad der Verletzungen bestimmen und die Opfer begutachten", erläuterte Hermann. Mit immer weniger Amtsärzten falle diese tragende Stütze der Strafverfolgung weg. Das durch die Gerichtsmedizin zu kompensieren, sei unmöglich, denn am Wiener Zentrum für Gerichtsmedizin - eines der ältesten Institute der Welt, einst hoch angesehen und eine Vorzeige-Einrichtung - sind mittlerweile nur mehr zwei Gerichtsmediziner und zwei Assistenzärzte beschäftigt. "Diese sind mit Obduktionen mehr oder weniger ausgelastet", so Hermann. Deshalb müssen Sachverständige bestellt werden, wodurch es zu Verfahrensverzögerungen und weiteren Kosten kommt.

Hermann würde sich stationäre Amtsärzte auf Polizeiinspektionen wünschen, um bei häuslicher Gewalt möglichst alle Täter mit den Mitteln des Strafrechts in die Schranken weisen zu können. Auch "fliegende Forensiker", die in den Spitälern Begutachtungen von Verletzungen vornehmen und ihre Erkenntnisse den Staatsanwaltschaften kommunizieren - ein Modell, das es in anderen Ländern bereits gibt - wären aus Sicht der Wiener Anklagebehörde ein Schritt in die richtige Richtung, da gegenwärtig viele Spitalsbefunde lückenhaft sind und oft keine Fotos mit den Verletzungsspuren enthalten.

In diesem Zusammenhang richtet Hermann an die meist weiblichen Opfer von Gewalt im sozialen Nahraum einen dringenden Appell: "Sie sollen unbedingt die erlittenen Verletzungen dokumentieren." In Zeiten von Smartphones sei das "ganz niederschwellig" möglich. Fotos mit den Spuren erlebter Gewalt mache diese sichtbar und verdichten im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren die Beweislage. "Idealerweise legt man beim Abfotografieren ein Lineal dazu", rät Hermann. Das erleichtere die Größeneinordnung.

Aufgrund nicht ausreichend vorhandener Polizeiärzte hat die Wiener Polizei in den sogenannten Schwerpunktkommissariaten bereits am 1. Juli den amtsärztlichen Parteienverkehr eingestellt. "Körperverletzungsgutachten im Dienst der Strafjustiz werden nicht mehr vom Polizeiamtsarzt erstellt. Bei der Anzeigenaufnahme bzw. Vernehmung sind Spitalsgutachten und dergleichen mitzubringen bzw. der Dienststelle zu übermitteln", hieß es dazu damals seitens der Landespolizeidirektion. Eine Bewertung der medizinischen Unterlagen erfolge "direkt durch die Justiz".

Mittels Ausschreibung wurde seither nach neuen Polizeiärzten gesucht - offenbar mit mäßigem Erfolg. "Die Ausschreibung ist nach wie vor aufrecht. Es haben sich einige Interessenten gemeldet, aber die Landespolizeidirektion ist nach wie vor auf der Suche nach interessierten Ärzten und in diesem Sinne freuen wir uns auf weitere Bewerber", gab die Pressestelle der Wiener Polizei auf APA-Anfrage bekannt. Wie viele Amtsärzte konkret fehlen, war nicht in Erfahrung zu bringen. Der amtsärztliche Parteienverkehr sei "nach wie vor nicht aufrecht", räumte die Exekutive ein.