APA - Austria Presse Agentur

Wifo: Gemeinnützige Mieter wohnen deutlich günstiger

Mieter und Eigentümer gemeinnütziger Wohnungen in Österreich ersparen sich jährlich rund 1,3 Mrd. Euro an Kosten, vergleicht man ihre Wohnungen mit anderen gleicher Größe oder Ausstattung. Allein auf Mietwohnungen entfallen 1,2 Mrd. Euro davon. Bei neu errichteten Gebäuden sind diese Einsparungen höher als bei älteren Häusern. Im Schnitt beträgt der Vorteil bei Mietwohnungen monatlich 160 Euro bzw. 2,3 Euro pro m2, ergibt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo).

Bei den zwischen 2011 und 2019 errichteten Bauten gemeinnütziger Bauvereinigungen (GBV) sieht das Wifo sogar Mietvorteile von im Schnitt 3,0 Euro pro m2 und Monat. Auf das vorige Jahrzehnt entfallen damit allein fast 24 Prozent der Mietvorteile, obwohl nur 17 Prozent des Mietwohnungsbestands aus dieser Zeit stammen. Während im gemeinnützigen Sektor das Kostendeckungsprinzip gelte, würden im privaten Segment die Mieten bei Neuvermietungen ans Marktniveau angepasst, so die Studienautoren. Insofern sei die höhere Ersparnis bei jüngeren Häusern auch ein "Spiegelbild der Entwicklungen am privaten Mietmarkt".

Andererseits gebe es auch bei Wohnungen in älteren Gebäuden - aus der Zeit vor 1980 - hohe Mietvorteile. Bei diesen "ausfinanzierten" Objekten würden die laufenden Kosten durch Wegfall der Hauskreditraten bzw. durch Umstellung auf die "Grundmiete" sinken und GBV könnten ältere Wohnungen teils deutlich unter dem Niveau privater Mieten anbieten. So liegt laut Studie bei Wohnungen aus den 1960er Jahren der Mietvorteil mit 2,6 Euro kaum niedriger als bei Neubauten. Für die Nachkriegszeit bis 1960 hat das Wifo den Vorteil mit 2,5 Euro/m2 errechnet, für die Vorkriegszeit und die Jahre 2001 bis 2010 mit 2,4 Euro/m2.

Laut GBV-Obmann Bernd Rießland dauert es im Schnitt 35 bis 40 Jahre, bis in einer der Mietwohnungen die Kosten auf die Grundmiete plus Erhaltungsbeitrag sinken, abhängig von den jeweiligen Landesförderungen. Dann lägen die Kosten bei etwas mehr als 4 Euro pro m2, im Vergleich zu 7 bis 12 Euro Marktniveau, sagte Rießland am Mittwoch in einem Online-Pressegespräch. Bei ganz neuen GBV-Mietwohnungen könne man sich gegenüber dem freien Markt jedoch ab dem ersten Monat 3 Euro pro m2 ersparen.

Dass das Differenzial aktuell so groß ist, hat mit dem Bevölkerungswachstum und dem Wohnungsmangel zu tun, sagte Michael Klien, einer der beiden Autoren, vor Journalisten: "Aktuell ist der Effekt besonders stark, weil die Marktmieten besonders stark gestiegen sind." Seit einem Jahrzehnt gebe es eine hohe Überschussnachfrage, die die Preise und Mieten am Markt hoch treibe. Gemeinnützige Bauträger dagegen "dürfen nur das weiterverrechnen, was uns ein Objekt kostet - und wir haben außerdem unbefristete Verträge", so GBV-Vizeobmann Herwig Pernsteiner. Die Entlastung verteilt sich laut Klien über alle Einkommensgruppen, prozentuell ist sie bei niedrigen Einkommen höher. Dieses Geld sei frei für den Konsum.

Dem GBV-Sektor sind 655.000 Mietwohnungen zuzurechnen, 30 Prozent des Wohnungsbestands außerhalb von Ein- oder Zweifamilienhäusern bzw. 41 Prozent aller Mietwohnungen. Außerdem haben die Verbandsmitglieder seit 1945 rund 350.000 Eigentumswohnungen errichtet. Für die Eigentumswohnungen hat das Wifo kumuliert 122 Mio. Euro Kostenvorteil errechnet, pro Wohnung 61 Euro Ersparnis pro Monat. Von den älteren Eigentumswohnungen, aus den 1960er bis 1980er Jahren, wandert freilich ein Teil in die Vermietung: Rießland schätzt, dass von den ursprünglichen Eigentumswohnungen 35 bis 40 Prozent "nicht mehr in der Selbstnutzung" sind. Die Eigentumsoption, also die Möglichkeit, seine GBV-Mietwohnung unter bestimmten Voraussetzungen erwerben zu können, werde regional höchst unterschiedlich genutzt, zwischen 5 bis 10 und 50 Prozent, im Schnitt zu 20 Prozent.

Der österreichischen Volkswirtschaft bringt der GBV-Sektor laut Wifo einen positiven BIP-Effekt von 640 bis 980 Mio. Euro im Jahr, also bis zu einer Milliarde, auch nach Abzug der Vorteile für den Sektor (etwa durch die KÖSt-Befreiung). Für den Staat bleibe unterm Strich ein Nettogewinn, selbst wenn man die 100 bis 120 Mio. KÖSt-Effekt in Rechnung stelle sowie die Hälfte der 300 Mio. Euro Barwert für die Wohnbauförderung (WBF), nämlich jenen WBF-Teil, der den GBV zuzurechnen ist, so Rießland.

Besonders schlecht funktionieren im Mietbereich die Immobilienmärkte in dichter besiedelten Gemeinden sowie in Wien - das schließen die Autoren Klien und Gerhard Streicher daraus, dass dort die Mietvorteile des GBV-Bereichs besonders hoch sind. "Es kann interpretiert werden, dass in Bundesländern mit niedrigem Mietvorteil je Quadratmeter der Immobilienmarkt besser funktioniert, d.h. das Angebot eher die Nachfrage zu decken vermag als in Bundesländern mit hohem Mietvorteil."

Umgekehrt fiel den Experten auf, dass in Gemeinden mit hoher Bevölkerungsdichte der Mietvorteil der gemeinnützigen Wohnungen im Schnitt bei relativ hohen 2,9 Euro pro m2 im Monat liegt, in jenen mit mittlerer Dichte bei 2,0 Euro und in jenen mit niedriger Dichte bei lediglich 1,2 Euro. Damit sei der Vorteil einer GBV-Mietwohnung in urbanen Gebieten mehr als doppelt so hoch wie in ländlichen Regionen. Offenbar gebe es in urbanen Gebieten "größere Marktunvollkommenheiten", die eine starke Abweichung der GBV-Kostenmieten zu den Marktmieten hervorbringen, heißt es in der Wifo-Studie.

Die Qualitätsstandards im gemeinnützigen Wohnungssektor verteidigte GBV-Obmann Rießland. Auch angesichts des niedrigen Zinsniveaus "sollten wir die Standards aufrechterhalten" - bei "speziellen, komplexen Wohnungsausstattungen" aber "eine Grenze ziehen". Pernsteiner meinte, es habe zum "Golden Plating" schon eine Sensibilisierung gegeben, "hier muss man mit Maß und Ziel vorgehen". Wirklich "weh getan" hätten dem Sektor die massiv gestiegenen Baukosten. Die Bauwirtschaft habe volle Auftragsbücher und sei einer der großen Profiteure der Krise - sie habe daher keinen Anlass zur Preisdämpfung, gab Pernsteiner zu verstehen.