APA - Austria Presse Agentur

Wifo: Steuerreform wird das Wachstum antreiben

Die Entlastung der Privathaushalte durch die Steuerreform wird den Konsum antreiben und damit die Wirtschaft stärker wachsen lassen, auch Incentives für Investitionen wirken sich günstig aus. Von 2022 bis 2026 wird Österreich kräftiger expandieren als der Euroraum. Davon geht das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) in seiner neuen Mittelfristprognose aus. Die Wirtschaftsbelebung seit dem Frühjahr wird die Arbeitslosigkeit rascher sinken lassen als noch vor kurzem gedacht.

"Knapp ein Viertel Prozentpunkt des Wachstums im Zeitraum 2022 bis 2026 kommt von der Steuerreform - konkret sind es circa 0,2 Prozent pro Jahr", sagte Wifo-Experte Josef Baumgartner im APA-Gespräch. Im Schnitt soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in dem Zeitraum damit, nach 4,4 Prozent heuer, real um 2,6 Prozent pro Jahr zulegen - besonders stark mit 5,0 Prozent kommendes Jahr, mehr noch als die Anfang Oktober in der jüngsten vierteljährlichen Prognose für 2022 vorhergesagten 4,8 Prozent. Danach dürfte sich das Wachstum auf 2,4 und 2,3 Prozent 2023 und 2024 sowie je 1,8 Prozent in den Jahren 2025/2026 abflachen.

"Seit Frühjahr erfolgt die wirtschaftliche Erholung deutlich rascher als erwartet", die internationale Konjunktur sei angesprungen und habe vor allem die heimische Industrie mitgezogen, so Baumgartner. Die weltweite Industrieproduktion sei von Frühjahr bis Sommer über dem Produktionsniveau der Jahre 2017 bis 2019 gelegen, obwohl dies in Summe schon eine gute Konjunkturphase gewesen sei, "die beste seit der Finanzkrise". "Und von Mai bis August lagen wir noch darüber", jüngere Daten gebe es noch nicht. Es würden mehr Waren und Güter produziert als 2017 bis 2019, nicht aber Dienstleistungen. Diese hohe Produktion dauerhafter Konsumgüter erfordere mehr Rohstoffe und Vorprodukte, das treibe die Preise in die Höhe.

Markant verringert wird durch diesen kräftigen Rebound der Wirtschaft die Arbeitslosigkeit - und das rascher und stärker als erwartet. Bereits 2023 soll die Arbeitslosenquote unter die 7-Prozent-Marke sinken, noch im Sommer war damit erst für 2025 gerechnet worden. Voriges Jahr, am Höhepunkt der Corona-Restriktionen, hatte die Quote noch 9,9 Prozent betragen, im Schnitt der Jahre 2022/26 soll sie auf 6,6 Prozent zurückgehen und 2026 zum Prognose-Ende bei lediglich 6,1 Prozent liegen.

Ermöglicht wird der Abbau der Arbeitslosigkeit durch mehrere Faktoren. Einerseits generiert sich eine Arbeitsnachfrage aus der rascheren Konjunkturerholung. In den nächsten fünf Jahren werde die Konjunktur stärker laufen als in der Zwischenkrisenperiode 2010/19, also zwischen Finanz- und Coronakrise: "Das generiert eine zusätzliche Nachfrage nach Beschäftigten", so Baumgartner. Zudem schrumpfe die erwerbsfähige Bevölkerung der 15- bis 65-Jährigen, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Pension gehen. Mehr Arbeitskräfte werde es durch eine höhere Erwerbsbeteiligung von Älteren und Frauen sowie durch mehr ausländische Arbeitskräfte geben. Die Konjunkturbelebung werde es aber auch mehr Arbeitslosen möglich machen, wieder ins Arbeitsleben zurückkehren. Daher seien zusätzliche Förderprogramme für Langzeitarbeitslose so wichtig, sagt Baumgartner.

Angekurbelt wird die Wirtschaft in den kommenden Jahren durch staatliche Investitionsprämie und - freibetrag sowie die Steuerreform 2022/24, wodurch vor allem die private Inlandsnachfrage gestützt wird. Zusätzlich werden teils wieder Gelder in den privaten Konsum zurückfließen, die in den Covid-Lockdowns 2020/21 als "Zwangssparen" weggelegt wurden. Unterm Strich wird somit für 2022 ein sehr kräftiges Wachstum des realen Privatkonsums von 6,4 Prozent gesehen, wovon 0,4 Prozentpunkte auf die Entlastung der Haushaltseinkommen durch die Steuerreform zurückgehen - durch die Tarifsenkung 2. Stufe, Erhöhung von Familienbonus und Kindermehrbetrag, die Senkung des Krankenversicherungsbeitrages für niedrige Einkommen und den Klimabonus, so das Wifo.

Durch die Steuerreform steige auch die Sparquote, so Baumgartner, weil Vielverdiener von den Entlastungen besonders profitierten. 2022 dürfte die Steuerreform den Privathaushalten 2,8 Mrd. Euro Entlastung bringen, 1,2 Prozent der verfügbaren Haushaltseinkommen - in Summe soll bis 2026 die nominelle Entlastung kumuliert 27,5 Mrd. Euro betragen.

Bis 2026 sieht das Wifo einen Anstieg der Entlastung durch die Steuerreform von 7 Mrd. Euro oder 2,5 Prozent der Einkommen. "Im Vollausbau entfallen 15 Prozent der Entlastung auf das unterste Haushaltseinkommensdrittel, 36 Prozent auf das mittlere und 49 Prozent auf das oberste", heißt es. Weil diese Personengruppen die geringste Konsumelastizität aufweisen, rechnet das Wifo mit einem Anstieg der Sparquote durch die Steuerreform und auch damit, dass von dem auf knapp 25 Mrd. Euro geschätzten "Corona-Sparpolster" anfangs nur ein Viertel des durch die Steuerreform zusätzlich verfügbaren Einkommens im Konsum landet - gegenüber circa der Hälfte nach der allgemein geltenden "Daumen-mal-Pi-Regel".

Die Sparquote der privaten Haushalte, die voriges Jahr in der Coronakrise massiv auf 14,4 Prozent der verfügbaren Einkommen hochgeschnellt ist und heuer laut Wifo auf 10,4 Prozent sinken soll, dürfte sich daher nur recht langsam zurückbilden - bis 2026 auf 5,6 Prozent, nach 7,0 Prozent im kommenden Jahr. Im Schnitt der Jahre 2022/26 wird vom Wifo eine Sparquote von 6,2 Prozent erwartet, ohne Steuerreform wären es 4,9 Prozent gewesen, so Baumgartner.

Die Investitionen würden durch eine starke Expansion im produzierenden Bereich florieren, wird angenommen. Schon 2022 werde die Investitionsprämie zusätzliche Ausrüstungsinvestments veranlassen, die es ohne Prämie nicht gäbe. 2022 steigen dadurch die Bruttoanlageinvestitionen um 4,4 Prozent - 2023 und 2024 wird aber als "Echo" eine schwächere Investitionstätigkeit befürchtet. Die Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) ab 2023 und der neue (Öko)-IFB dürften diesem Echo-Effekt aber 2024 entgegenwirken.

Der Außenhandel wird sich laut Wifo 2022 besonders dynamisch entwickeln - mit einem Anstieg von 8,9 Prozent bei den Exporten und von 8,3 Prozent bei den Importen. Das sei einem verschobenen Rebound-Effekt im Reiseverkehr geschuldet, da der Tourismus heuer in den ersten fünf Monaten noch im Lockdown gewesen sei, wie Baumgartner betonte. Für die Gesamtexporte bzw. -importe wird für den Zeitraum 2023/26 mit durchschnittlichen Zuwächsen von 4,1 bzw. 3,9 Prozent bei Aus- und Einfuhren gerechnet.

Die Inflation erwartet das Wifo für 2022 nun bei 3,1 Prozent, etwas höher als zur Herbstprognose mit 3,0 Prozent. Grund für den Anstieg der Teuerung seien der starke Preisauftrieb auf den internationalen Gütermärkten, die Rücknahme der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in den von der Covid-Krise stark betroffenen Branchen (Gastro, Beherbergung und Veranstaltungswesen) sowie die CO2-Bepreisung, so das Wifo. Jedoch schätzt das Institut die höhere Inflation 2021/22 als überwiegend vorübergehend ein, wie betont wird. Im Schnitt der Jahre 2023/26 soll sie bei 2,1 Prozent liegen, nach 1,9 Prozent im Schnitt der Jahre 2010 bis 2019.

Für das gesamtstaatliche Budgetdefizit geht das Wifo von einem Rückgang von 6,3 Prozent des BIP heuer auf 2,4 Prozent im Jahr 2022 aus. Im Prognosezeitraum werde die Defizitquote durch die Steuerreform im Schnitt 0,6 Prozentpunkte pro Jahr höher erwartet, 2022/26 soll sie im Schnitt bei 1,2 Prozent liegen und zu Ende des Prognosehorizonts 2026 dann 0,4 Prozent betragen.

Ähnlich verhält es sich mit der Maastricht-Staatsschuldenquote, wo ausgehend von 83,3 Prozent 2021 und 80,0 Prozent kommendes Jahr für den Prognosezeitraum im Schnitt 75,6 Prozent erwartet werden, im Zieljahr 2026 dann 71,0 Prozent. "Ohne Steuerreform wären der geschätzte Schuldenstand um knapp 15 Mrd. Euro und die Schuldenquote um 1,7 Prozentpunkte niedriger", heißt es.