APA - Austria Presse Agentur

Wirecard-Whistleblower nahm erstmals öffentlich Stellung

Der anonyme, zentrale Hinweisgeber im Wirecard-Betrugsskandal hat nun erstmals in einer Fernsehdokumentation und in Interviews mit "Bild", "Financial Times" und "Süddeutsche Zeitung" öffentlich Stellung genommen. Pavandeep Singh Gill war von September 2017 bis Oktober 2018 als Wirecard-Firmenanwalt in Singapur zuständig für elf Märkte in Asien. Er entdeckte unter anderem gefälschte Rechnungen und wurde später vom deutschen Finanzdienstleister gefeuert.

"Wir hatten da eindeutig eine Bombe gefunden", sagte Gill in der Doku "Wirecard - Die Milliarden-Lüge" von Sky und rbb/ARD. Die Wirecard-Dokumentation kann ab heute, Donnerstag, auf Sky X und Sky Q abgerufen werden. Als Regisseure fungierten die österreichischen Filmemacher Jono und Benji Bergmann.

Das Wirecard-Management versuchte, nach den von Gill entdeckten Malversationen Druck auf ihn auszuüben. "Sie wollten mich schmieren, mich bedrohen, aber ohne Erfolg. Sie haben alles versucht um mich zu vernichten", sagte der ehemalige Wirecard-Jurist in der Fernsehdokumentation. "Dann wollten sie mich auf eine Reise nach Jakarta schicken, für die es keinen geschäftlichen Anlass gab." Dann habe er von zwei Kontakten in München den Rat bekommen: "Fahr nicht, das ist eine Reise ohne Rückfahrschein."

Die zentralen Figuren im Wirecard-Skandal - der ehemalige Firmenchef Markus Braun und der auf der Flucht befindliche Ex-Vorstand Jan Marsalek - sind Österreicher. Man habe die Österreich-Connection in der Causa Wirecard mit Verbindungen zu Politik und Geheimdienst nicht in den Fokus gerückt, weil eine internationale Doku geplant war, sagte Ko-Regisseur Benji Bergmann am Donnerstag bei einem Online-Pressegespräch. "Wir wollten uns auf die menschlichen Dramen konzentrieren."

Gill lieferte als Whistleblower dem Financial-Times-Journalisten Dan McCrum viele Dokumente und Hintergrundmaterial für Wirecard-Aufdeckerartikel. Der deutsche Finanzdienstleister ging wegen der Berichterstattung juristisch gegen den britischen Journalisten und die Zeitung vor. Die deutsche Finanzmarktaufsicht ermittelte nach den kritischen FT-Artikeln nicht gegen Wirecard, sondern gegen den FT-Journalisten. Im Juni 2020 musste Wirecard schließlich ein Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro einräumen und meldete wenig später Insolvenz an.

Der ehemalige Wirecard-Firmenanwalt zeigte sich erleichtert, dass er nun seine Identität öffentlich gemacht hat. Beim heutigen Pressegespräch kündigte Gill an, den deutschen Ermittlungsbehörden und der deutschen Finanzaufsicht für Befragungen zur Verfügung zu stehen. Er glaubt, dass Braun als Firmenchef über Betrugsaktivitäten in Asien informiert war.