APA - Austria Presse Agentur

Zeus und das Hundstrümmerl: "Orpheus" in der Volksoper

Wovon fühlt sich der in eine Fliege verwandelte Göttervater Zeus noch mehr angezogen, als von der schönen Eurydike, die er in dieser Gestalt verführen wollte? Von einem Hundstrümmerl natürlich, das Höllenhund Cerberus auf der Bühne hinterlassen hat: Die Nebenwirkungen der Metamorphose. An der Wiener Volksoper feierte am Samstagabend ein neuer "Orpheus in der Unterwelt" Premiere. Das britische Clownerie-Duo Spymonkey inszenierte Offenbach mit viel Lust am Slapstick.

Die tragische griechische Sage von Orpheus und Eurydike, in anderen Musiktheaterwerken mit großer Empathie für das Liebespaar vertont, wird bei Jacques Offenbach zur Farce: Die Eheleute hassen sich, frönen ihrer Affären und wäre da nicht die "Öffentliche Meinung", so hätte Orpheus den Schlangenbiss-Tod seiner Gattin längst als segensreiches Ende gefeiert. Doch so beginnt die Reise zu den ihrerseits schwer neurotischen Göttern, zunächst am Olymp, dann im Hades...wo der entführten Eurydike bald nicht nur der Fürst der Unterwelt, sondern auch der Göttervater höchstpersönlich nachstellt.

Körper-Comedy oder "physical theatre" nennt sich die mit der britischen Pantomimen-Tradition eng verwandte Kunstsparte, in der Toby Park und Aitor Basauri alias Spymonkey zu Hause sind. Mit dem Handwerk der satirischen Operette hat das viel zu tun - so viel, dass man trotz des Musiktheater-Debüts der beiden Regisseure den Eindruck gewinnen konnte, hier wären die Routiniers am Werk. Im besten - und im weniger guten Sinne: Eine Menge wohl choreografierten Klamauk gibt es da, behände gesetzte Pointen, rollende, fliegende, wehende Gimmicks, selbstironische Brüche, tierische Tanzeinlagen. Zugleich ist da aber auch eine gewisse Schlampigkeit im Timing, eine Schwammigkeit in der musikalischen Ausarbeitung, eine Schwerfälligkeit in den derben Witzen. Dass Neo-Intendantin Lotte de Beer mit den pantomimischen Musiktheater-Neulingen ausgerechnet ein Stück Vintage Volksoper herausbringt, hätte wohl keiner gedacht.

Es war die zweite Wiener Offenbach-Premiere in einer Woche: Hatte Nikolaus Habjan im Theater an der Wien wenige Tage zuvor "La Périchole" mit Erfolg zum politischen Kabarett hochgebürstet, bemüht man sich hier am "Orpheus", eine Parodie über die Parodie herzustellen. Mit der neu hinzugefügten Rahmenhandlung, die den Komponisten selbst auftreten lässt, um die Volks- mit der Staatsoper zu verwechseln, Eurydike anzugraben und sich in diversen Rollen in sein Stück hineinzureklamieren, gelingt immerhin ein doppelter Boden, ganz erschließt sich ihr Mehrwert allerdings nicht.

Mit einem Reigen unverschämt blödeliger Ideen - von den rosa "Polizisten der Liebe", die den berühmten "Cancan" flöten, über den Götterboten Merkur auf dem Hoverboard bis zur famosen Fliegenszene - bieten Park und Basauri im Bühnenbild von Julian Crouch ihrem Publikum viele kräftige Lachimpulse, wenn diese auch in ihrer Dichte und Präzision hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Marco di Sapia ist ein wunderbarer Zeus, Daniel Kluge ein starker Orpheus, Ruth Brauer-Kvam eine eindrucksvoll kreatürliche "Öffentliche Meinung". Als Eurydike kämpft sich Hedwig Ritter zur neu erdachten feministischen Brandrede durch, als Pluto hadert Hades-Chef Timothy Fallon mit der Textverständlichkeit. Am Pult des Volksopernorchesters ruderte Alexander Joel über den Styx.

(S E R V I C E - "Orpheus in der Unterwelt" von Jacques Offenbach. Regie: Spymonkey - Toby Park und Aitor Basauri, Dirigent: Alexander Joel, Bühne und Kostüme: Julian Crouch. Mit Daniel Kluge, Hedwig Ritter, Ruth Brauer-Kvam, Timothy Fallon, Marci Di Sapia. Die nächsten Termine am 25., 28. Jänner, 1., 5., 8., 14. Februar. Wiener Volksoper. www.volksoper.at)