Zwei Kieskähne standen am Beginn der Bregenzer Festspiele

Heute deutlich opulenter als vor 75 Jahren: Die Seebühne in Bregenz
Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht in den Bregenzer Festspielen "das" Festival der Zweiten Republik. Nicht einmal ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Festspiele als Festwoche aus der Taufe gehoben. Erste künstlerische Aufführung war ein Mozart-Abend am 5. August 1946, als erstes Spiel auf dem See - nämlich auf zwei Kieskähnen - ging das Singspiel "Bastien und Bastienne" in die Geschichte ein. Heuer feiern die Festspiele ihr 75-jähriges Bestehen.

Dass das Festival ein fester Bestandteil der europäischen Opernszene werden würde, war 1946 freilich keineswegs absehbar. Zwischendurch gab es hinsichtlich der Finanzen schwierige Jahre, längst aber stehen die Bregenzer Festspiele auf sicherem Fundament. Bei einem jährlichen Budget von 22 Mio. Euro werden 15 Mio. Euro selbst erwirtschaftet. In den Jahren vor der Corona-Pandemie war das Festival praktisch ausverkauft - auch künstlerisch bilden die Bregenzer Festspiele eine fixe Größe. Pro Sommer wollen sich etwa 250.000 Festspielgäste die Aufführungen in Bregenz nicht entgehen lassen. Nur ein einziges Mal musste das Festival ausfallen, nämlich im Vorjahr, als die (Kultur-)Welt wegen der Corona-Pandemie stillstand.

1946 waren nur sechs Wochen Vorbereitungszeit geblieben, es musste viel improvisiert werden. So fehlten etwa Quartiere für die Künstler, viele kamen bei Bauern in der Umgebung unter. Technische Geräte erhielt man im Austausch gegen Lebensmittel von den Wiener Bundestheatern. Als kostengünstige Spielstätte für das erste Spiel auf dem See wählte man erst im Juli zwei Kieskähne im Gondelhafen. Einer sollte bespielt werden, auf dem anderen saßen die Musiker des Vorarlberger Rundfunkorchesters. Über Zeitungsannoncen wurde die Bevölkerung um Unterstützung gebeten, sie sollte ehrenamtlich die Gehsteige reinigen und ihre Häuser beflaggen, um die Gäste willkommen zu heißen. Vor allem aus der Schweiz strömten die Besucher zahlreich in die Vorarlberger Landeshauptstadt.

Neben dem Mozart-Abend fanden von 4. bis 11. August 1946 außerdem Sportveranstaltungen, Lesungen, ein Gastspiel der Vorarlberger Landesbühne und ein "Promenadenkonzert" des Vorarlberger Rundfunkorchesters statt. Den Höhepunkt bildeten aber zwei Orchesterkonzerte der Wiener Symphoniker, die sich im Nachhinein vor allem für die gute Verpflegung vor Ort schriftlich bedankten. Über 420 Künstler und 280 Sportler wirkten an der ersten Festwoche mit, die in Abgrenzung zu den Salzburger und Bayreuther Festspielen absichtlich so benannt war. Die mühevolle Arbeit der Veranstalter lohnte sich. Die Woche wurde ein voller Erfolg, nicht zuletzt auch dank der französischen Besatzungsbehörden und des Kantons St. Gallen, die das Vorhaben unterstützten und einer Grenzöffnung zustimmten. Insgesamt kamen 25.500 Besucher nach Bregenz, 22.400 allein aus der Schweiz. Der Reingewinn der Festwoche betrug 4.000 Schilling.

Seit ihren Anfangstagen sind die Bregenzer Festspiele kontinuierlich gewachsen, das Programm erfuhr im Laufe der Jahre eine deutliche Ausweitung. So wurden etwa ab 1962 auch Kammermusikkonzerte und Haydn-Opern im Renaissancepalast in Hohenems angeboten, 1972 kamen Theatervorführungen unter freiem Himmel dazu. 1972 war auch das einzige Jahr, in dem auf der Seebühne gleich zwei verschiedene Musiktheaterproduktionen zur Aufführung gelangten ("Der Bettelstudent" und "Die Feenkönigin"), seit 1985 wird das Spiel auf dem See jeweils zwei Sommer lang gespielt, seit 1988 auch eine "Hausoper" inszeniert. 2001 wurde die zeitgenössische Schiene "Kunst aus der Zeit" eingeführt, mit dem Wechsel der Intendanz von David Pountney zu Elisabeth Sobotka 2015 aber wieder aufgegeben.

Der größte infrastrukturelle Meilenstein waren 1979 die neue Seebühne und der Bau des Festspiel- und Kongresshauses mit seiner Eröffnung im Jahr 1980. 1996/97 wurde es auf die doppelte Kubatur vergrößert und 2005/06 für 38,5 Mio. Euro generalsaniert. Bis 2024 werden Festspielhaus und Seebühne abermals für 60,5 Mio. Euro ertüchtigt, saniert und erweitert. Bereits 1998 war die Zuschauerkapazität auf der Seebühne von 4.600 auf knapp 7.000 Sitze ausgebaut worden. Festspielhaus, Werkstattbühne und Seebühne bieten damit heute insgesamt über 10.000 Kulturbegeisterten Platz. Bilder der spektakulären und aufwendigen Kulissen auf der Seebühne schaffen es um die ganze Welt.

Organisiert sind die Bregenzer Festspiele als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Bregenzer Festspiele Privatstiftung als Gesellschafter. Als Festspiel-Präsident ist Hans-Peter Metzler seit 2012 im Amt. Der Hauptanteil der Besucher, nämlich zuletzt rund 63 Prozent, kommt aus Deutschland, etwa jeder vierte Festival-Gast ist Österreicher.

Einen Tiefpunkt erlebten die Bregenzer Festspiele in den 1990er-Jahren, als ein Mitarbeiter seine Vertrauensposition ausnutzte und seine Arbeitgeberin um rund eine Million Euro betrog. Der damals 45-jährige Mann machte sich mit dem Geld aus dem Staub und blieb bis heute verschwunden. Bereits 1982 war nach einem kritischen Rechnungshofbericht samt des Vorwurfs von Misswirtschaft die Funktion eines kaufmännischen Direktors eingeführt worden, der dem Intendanten gleichgestellt ist.

(BILDAVISO: Ein Archivbild zur Aufführung von "Bastien und Bastienne" im Jahr 1946 ist im AOM abrufbar.)

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