APA - Austria Presse Agentur

Zweiter Tag der Verhandlung zur Sozialversicherung

Die Entmachtung der Dienstnehmer in den Verwaltungsgremien der Krankenkassen war am Mittwoch Hauptthema des zweiten und letzten Tages der öffentlichen Verhandlung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Sozialversicherungsreform. Kassen- und Arbeiterkammervertreter qualifizierten dies als klar verfassungswidrig, die Vertreter der Bundesregierung widersprachen.

In den Organen der Sozialversicherungsträger sind sowohl Dienstnehmer als auch Dienstgeber vertreten, im Wesentlichen entsandt von den Interessensvertretungen, also der Arbeiter- und der Wirtschaftskammer. In den Gebiets- und Betriebskrankenkassen sind die Dienstnehmer mit vier Fünfteln aber bisher klar in der Mehrheit, in der Pensionsversicherung sowie bei Eisenbahn und Bergbau mit zwei Dritteln. Durch die türkis-blaue Reform soll sich das radikal ändern, ab 2020 ist die Parität beider Seiten vorgesehen.

Bei den Gegnern dieser Regelung sorgt dies für Empörung. "Die Parität ist verfassungswidrig", betonte Rechtsanwalt Ewald Scheucher als Vertreter der SPÖ-Bundesratsfraktion, in der öffentlichen VfGH-Verhandlung. Die Neuregelung sorge für eine "Scheinselbstverwaltung". Es könne kein Beschluss gegen den Willen der Dienstgeber mehr fallen. Dafür fehle jegliche verfassungsmäßig haltbare Begründung.

Michael Pilz, Vertreter der Arbeiterkammer, sah auch das Demokratieprinzip dadurch verletzt. Die Zahl der Arbeiterkammer-Vertreter in den Gremien werde von 351 auf 120 reduziert, und das, obwohl sie 7,2 Mio. Versicherte vertreten. Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein wies darauf hin, dass hier via Wirtschaftsbund für eine ÖVP-Zweidrittelmehrheit quer über alle Organe gesorgt werde, "eine völlige Verzerrung der Verhältnisse". Bei der Selbstständigen-Versicherung verblieben die Dienstgeber hingegen "gegnerfrei".

Dass es ein gemeinsames Interesse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Krankenversicherung gibt, wie die Regierungsseite hier argumentiert, stellte Pilz in Abrede: "Das ergibt schon der rollenbasierte Antagonismus der beiden." Und auch dass ja beide Seiten einzahlen, ließ er nicht gelten: Der Anteil der Dienstgeber an der Krankenversicherung der unselbstständig Erwerbstätigen betrage nur 28 Prozent.

Seitens der Bundesregierung argumentierte Annemarie Masilko aus dem Sozialministerium ein gleichberechtigtes gemeinsames Interesse beider Seiten, nämlich jenes an Krankenstandsvermeidung. Florian Herbst vom Justizministerium betonte den "starken" gesetzgeberischen Spielraum bei der Zusammensetzung von Verwaltungskörpern. Auch er sprach von einem gemeinsamen übergeordneten Interesse der Dienstnehmer- und geber. Dies unterscheide die Kassen von Berufsvertretungen wie den Kammern.

Die öffentliche Verhandlung am VfGH war noch bis Mittwochnachmittag angesetzt, auch das Thema der Entsendebefugnisse (und der künftig verlangte Eignungstest) in die Sozialversicherungsorgane stand hier noch zur Debatte. Eine Entscheidung des Gerichtshofs war noch nicht zu erwarten, nach der öffentlichen Verhandlung sollen die Beratungen weitergehen. Die Gegner der Reform hoffen, dass der VfGH diese noch vor ihrem Inkrafttreten zu Jahresbeginn 2020 aufhebt.