APA - Austria Presse Agentur

"All the Beauty and the Bloodshed": Nan Goldins Leben

Als "Fotografin und Aktivistin" wird Nan Goldin üblicherweise beschrieben. Mit "All the Beauty and the Bloodshed" wurde ihr in beiden Rollen ein filmisches Denkmal gesetzt. Regisseurin Laura Poitras nutzt ihre detailreiche Dokumentation für ein starkes Statement, wie politisch das Private ist - prämiert mit einem Goldenen Löwen in Venedig, nominiert für einen Oscar und ab Donnerstag in den heimischen Kinos.

Poitras hat sich mit Filmen wie "Citizenfour" (über Edward Snowdon, 2015 mit einem Oscar ausgezeichnet) oder "Risk" (ein Porträt von Julian Assange aus dem Jahr 2016) als Spezialistin für das politisch fundierte Biopics etabliert. In ihrem jüngsten Werk begleitet sie Nan Goldin bei ihrem Kampf gegen die US-Opioidkrise, namentlich gegen die Familie Sackler, aus deren Konzern ein entsprechendes Präparat entstammt.

Im Fokus der "P.A.I.N."-Kampagne steht das Kunstsponsoring der Mäzenatenfamilie, die sich mit ihren Zuwendungen Namensschilder in zahlreichen renommierten Museen gesichert hatte. Protestaktionen im Guggenheim Museum, im Louvre oder im Metropolitan Museum of Art werden von Poitras dokumentiert. Die kämpferische Goldin der Gegenwart ist für Poitras aber auch Ausgangspunkt für eine Erkundung der Lebensgeschichte der Künstlerin. Eine sehr persönliche Erzählung entspinnt sich, im Einklang mit dem Gesamtwerk Goldins, die als Chronistin der queeren Subkulturen der 1970er und 1980er gilt.

Die inzwischen 69-jährige Künstlerin wurde wie so viele Amerikaner abhängig, als ihr das Opioid OxyContin nach einer Handgelenksoperation verschrieben wurde und wäre beinahe gestorben. Einige verlorene Jahre später überwand sie die Sucht, gelobte, "die von dieser Epidemie Betroffenen zu ehren, um das Persönliche politisch zu machen", und richtete ihren Aktivismus auf die Familie Sackler, die ihren enormen Reichtum der Vermarktung des Schmerzmittels verdankt und einen Teil dieser Gewinne in Kunstmuseen investierte, quasi als Reputationswäsche. Das macht das Ganze noch persönlicher für Goldin. Im Laufe des Films wird sie ein Museum nach dem anderen dazu bringen, den Namen der Familie Sackler aus ihren Galerien zu entfernen.

Es zeugt von Poitras ausnehmender filmischer Gestaltungskraft, dass sie die beiden Narrative ihres Films, der 2022 in Wien bei der Viennale seine Österreichpremiere hatte, unter einen Hut bringt. Sie nutzt Goldins Kunst dabei als Zeitleiste durch ihr Leben, was dem Film eine einzigartige Textur verleiht. Klicks von einem Projektor durchlaufen ihre Fotografien, die sexy, erregend und warm sind, vor allem aber eine Freundlichkeit gegenüber ihren Motiven zeigen.

Goldin ist für ihre umfassende Sammlung "The Ballad of Sexual Dependency" bekannt, darunter intime Bilder, die sie im Alltag von Freunden und Liebhabern, Sexarbeiterinnen, Transsexuellen und Künstlern in New York gemacht hat. Die Kamera richtete sie auch schonungslos auf sich selbst, in einer Zeit, in der das Selfie noch nicht Konjunktur feierte.

So wurde "All the Beauty and the Bloodshed" das Porträt einer US-amerikanischen Ausnahmekünstlerin, einer Fotografin, die ihre private Geschichte bedingungslos dokumentierte. Wie politisch diese nur scheinbar privaten Höhen und Tiefen sind, illustriert der Spagat in die Gegenwart, zur Aktivistin. Beharrlich, charismatisch und letztlich erfolgreich stemmt sie sich gegen eine Kunstwelt, in der Geld anschafft. Die Wärme, Reue und gelegentliche Wut, mit der die Künstlerin von ihren Erlebnissen erzählt, ist sehr bewegend. Selbst wer von dieser Frau noch nie etwas gehört hat, wird von ihr fasziniert sein.

Die Proteste sind vielleicht ihr größtes Kunstwerk. Drei Jahre nach der Demonstration im Metropolitan Museum of Art, kündigte das Museum an, den Namen Sackler aus sieben seiner Ausstellungsräume zu nehmen. Unbezahlbar auch ein Moment, in dem drei Mitglieder der Familie in einer vom Gericht angeordneten Anhörung, den Opfern der Opioid-Epidemie zuhören müssen. Ein schönes Happy End gewissermaßen, aber natürlich eines, das auch im Sinne des Titels auf Bluttaten gepflastert ist.