APA - Austria Presse Agentur

Angelo Kelly mit Album "ohne Sicherheitsnetz"

Angelo Kelly hat mit der Kelly Family Starruhm erlebt. 2006 nahm er sein erstes Solo-Album auf, es folgten Tourneen und Studiowerke mit seiner Frau Kira und seinen fünf Kindern. Nun meldet sich der 41-Jährige solo mit dem Tonträger "Grace" zurück - "ohne Sicherheitsnetz", denn die darauf enthaltenen irischen, traditionellen Songs wurden ohne Nachbearbeitung eingespielt. Beweisen wollte er niemandem etwas, sagte Kelly im APA-Interview: "Das ist ja kein Sport. Das ist Musik."

Eigentlich war ein weiteres Album von Angelo Kelly & Family geplant, aber während der Pandemie wurde dem Familienvater klar, dass die Kinder nun eigene Wege gehen müssen. Die Arbeit an "Grace" sei durchaus befreiend gewesen, betonte Kelly: "Ich konnte als Künstler viel mehr aus mir rauskommen. Als Produzent und Verantwortlicher für die Comeback-Jahre der Kelly Family steckst du sehr viel Energie rein. Und am Ende sagst du: Ach, jetzt singe ich auch noch ein Lied. Ähnlich war das mit der eigenen Familie. Ich wollte alles so gestalten, dass alle sich entfalten können. Das ist auch eine Kunstform, wie ein Zirkusdirektor. Aber mich einfach auf meine Stimme und meine Gitarre zu konzentrieren und auf nichts anderes, das ist extrem befreiend."

Dem in Spanien geborenen irisch-amerikanischen Musiker sei klar gewesen, was viele von ihm erwarten würden: ein möglichst kommerzielles Pop-Album. "Das hat mich aber nicht gereizt", sagte Kelly. "Mit fünf, sechs Leuten in einem Raum, die alle zusammen gleichzeitig spielen, das ist es, was mich derzeit reizt." Die Resonanz auf das Ergebnis sei "krass", freute sich der Künstler. "Das sind folk-irisch alte Lieder, die Halt geben, die Tradition haben."

An einige der Songs hätte er sich vor einigen Jahren noch nicht herangewagt, erzählte Kelly und nannte "On Raglan Road" als Beispiel. "Davon gibt es unzählige Versionen, etwa von den Dubliners und von Van Morrison and the Chieftains, damit bin ich aufgewachsen, das haben wir dauernd gehört. In Irland sagt man: Zu jeder Geschichte gibt es zwei Versionen und zu jedem Lied zwölf. Die Iren haben das in der Tradition, Lieder weiterzureichen." Den doch vorhandenen Pop-Anstrich verleugnet Kelly nicht: "Pop hat mich ja auch ein Leben lang geprägt. Pop im Sinne von Bruce Springsteen und den Beatles, nicht im Sinne von zwei Minuten Songs mit Autotune."

Aufgenommen wurde analog in einem Take: "Es gab keine Editierungen, keine Veränderungen, keine Overdubs, kein Autotune", hielt Kelly fest. "Wir sind nicht dem Zwang nachgegangen, alles zu verbessern und zu perfektionieren." Er verglich den Prozess mit dem Fotografieren: "Man kann ein Foto eins zu eins zeigen oder es zu Tode bearbeiten, etwa die Person dünner machen - was bei mir manchmal vielleicht ganz gut ist", lachte er. "Aber wenn man es mal komplett ohne Filter probiert, ist das sehr ehrlich und ein tolles Gefühl. Nur weil man alles verbessern kann, heißt das nicht, dass das richtig ist. Ist das dann noch Musik oder nur noch ein reines Produkt?"

Angelo Kelly hat rund 3.000 Schallplatten gesammelt. "Die Hälfte davon besteht aus Jazz aus den 50ern und 60ern. Bepop Jazz, das ist total mein Ding. Aber sonst ist alles dabei, selbst ein bisschen Metal und immer mehr auch guter, originaler Reggae." Kein Wunder also, wenn er dem Hörer "Grace" in der schön aufbereiteten Vinyl-Version nahelegt: "Es ist eine andere Begegnung mit dem Künstler und der Musik, auf eine viel tiefere Art als per Stream."

An Verkaufszahlen wolle er sich nicht messen, so Kelly, der den Rummel vor allem in den Neunzigern um seine Person und dessen Ende gut verkraftet zu haben scheint. "Ich war damals vernarrt ins Schlagzeugspielen. Ich wollte der beste Drummer der Welt werden", sagte er. "Das war genau dann, als ich mit meinen Geschwistern überall auf den Titelseiten war. So hatte ich meinen Fokus, das war mir wichtig: Handwerk. Ich habe dafür stundenlang geübt und wurde immer besser. Das gab mir Selbstrespekt, ich habe mir etwas vom Erfolg Unabhängiges erarbeitet. Als der Erfolg dann weg war, war ich ein viel besserer Musiker als zehn Jahre davor. Das hat mir geholfen."

(Das Gespräch führte Wolfgang Hauptmann/APA)

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