"Archiv der Zukunft" blickt hinter die Kulissen des NHM in Wien

Naturhistorisches Museum in Wien
Vom Chiropraktiker für Elefanten über die pensionierte Fossilien-Klopferin bis zur hammerschwingenden Tierpräparatorin: Regisseur Joerg Burger gewährt in seiner Dokumentation "Archiv der Zukunft" in einer gelungenen Mischung aus Gruselkabinett und Forscherdrang einen Blick hinter die Kulissen des Naturhistorischen Museums Wien und seine unglaubliche Sammlung von rund 30 Millionen Objekten. Nach der Weltpremiere auf der Diagonale kommt der Film in die Kinos.

Vier Jahre lang hat Burger immer wieder Momentaufnahmen im Museum aber vor allem im dahinterliegenden Forschungsbetrieb mit liebevollem Blick auf Details eingefangen. Er bringt dabei gleichermaßen die Lust des Personals an der Grundlagenforschung zum Vorschein wie auch den schier unermüdlichen Einsatz teils ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrer Pension aus Spaß an der Sache einen Beitrag leisten. Eine der Freiwilligen erzählt, dass sie das schon 25 Jahre lang macht und klopft dabei Sand aus Fossilien: "Das ist irgendwie meditativ, wenn man da so sitzt und so klopft und den Sand herausbeutelt."

Recht skurril wirkt auch die wissenschaftlich begleitete Verbrennung eines toten Schweins, um ein prähistorisches Grab nachzustellen. "Leichentuch brennt", "beginnender Vollbrand", "Schwein brennt", "Totenhemd unter Schwein intakt" diktieren dabei die Wissenschafterinnen unter anderem in die Dokumentationsunterlagen. Burgers Dokumentarfilm ist mit zahllosen skurrilen Ausschnitten aus dem Alltag des Museumsbetriebs gespickt - im wahrsten Sinne des Wortes, denn es wimmelt in der Vielfalt der Bilder von Insekten auf Nadeln, ausgestopften Tieren und drapierten Skeletten.

Weniger amüsant als manch anderer Aspekt sind die Aufzeichnungsbücher der Vermessungen von Juden während des Nationalsozialismus sowie das entsprechende Werkzeug dafür, das aus dem Kasten geholt wird. Sie sind wichtig für die Verfolgungsgeschichte der Juden in Europa. Dieser Stimmungsdämpfer wandelt sich zum Schluss aber wieder, wenn der 3D-Scan der Venus von Willendorf den Geologe über einen Dünnschliff sinnieren lässt, "jetzt wo wir sie eh digital haben".

Der Gruselfaktor spielt in der Dokumentation natürlich eine Rolle, aber zu keinem Zeitpunkt gleitet Burger dabei ins Lächerliche oder Verächtliche ab. Im Gegenteil: Während zwar die Tierpräparatoren teils brutal mit Hammer und Zange zu Werke gehen, wird das lebende Objekt - in diesem Fall eine zu vermessende Schlange in freier Wildbahn - beinahe zärtlich von den Wissenschaftern behandelt. Burger legt mit dem "Archiv der Zukunft" ein unterhaltsames und kurzweiliges Plädoyer für Grundlagenforschung vor und schafft es auch, die Probleme des Museums- und Forschungsbetriebs - wie etwa geringere Budgetmittel - ins Licht zu rücken.

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