Ein so dichterischer Titel wie "Fallende Blätter" passt voll und ganz zum vierten Kapitel von Aki Kaurismäki "Arbeiterserie", die mit "Schatten im Paradies" im Jahr 1986 begann, gefolgt von "Ariel" (1988) und "Das Mädchen aus der Streichholzfabrik" (1990). Sein neuer Film ist ein rostbrauner, senfgelber und taubenblauer Liebesroman, voll mit all den schönen Dingen, die wir nach vier Jahrzehnten mit dem finnischen Autorenfilmer und Menschenfreund verbinden. Das Bresson'sche Schauspiel, der trockene Humor, die schöne Farbgebung, und die Liebe zu den "kleinen Leuten".
Alma Pöysti (bekannt aus Zaida Bergroths "Tove") spielt Ansa, eine Supermarktangestellte, die ihren Job verliert, nur weil sie ein abgelaufenes Sandwich eingesteckt hat, das im Müll gelandet wäre. Sie verdient kaum genug Geld, um den Strom in ihrer Wohnung am Laufen zu halten. Unterdessen verliert irgendwo in der Nähe ein depressiver Schrottplatzmechaniker namens Hollapa (ein herrlich einsilbiger Jussi Vatanen) seinen Job, weil er während der Arbeit immer wieder heimlich seinen Schnaps aus der Brusttasche hervorholt.
Er erzählt seinem Freund, dass er trinkt, weil er deprimiert ist, und dass er deprimiert ist, weil er trinkt. Kein Wunder. Im Radio spielt es entweder traurige finnische Schlager oder Nachrichten vom Krieg in der Ukraine. Die Mise en Scène klingt miserabel, aber Kaurismäki findet überall Momente mürrischer Komik - auch in der Musik.
In der schmuddeligen Karaokebar um die Ecke singt das renommierte finnische Schwesternduo Maustetytöt Dinge wie "wir wurden in Kummer geboren und in Desillusionierung gekleidet". Ein Mann singt ein trauriges Schubert-Lied. Die Einsamkeit in der Luft wird fast so dick und sichtbar wie der Zigarettenqualm, da begegnen sich zum ersten Mal die verstohlenen Blicke von Ansa und Holappa. Später wird er sie ins Kino einladen, um "The Dead Don't Die" von Kaurismäkis langjährigem Seelenverwandten Jim Jarmusch anzusehen.
Doch das Paar scheint sofort verflucht zu sein. Hinter ihnen hängt ein Plakat von David Leans Klassiker "Begegnung" (1945), ein Liebesmelodram, das mit Verzicht und Trennung endet. Ansa schreibt ihre Telefonnummer auf ein Blatt Papier, nicht aber ihren Namen. Holappa verliert natürlich prompt den Zettel und setzt eine kleine Farce in Gang. Es wird nicht das Einzige sein, das die beiden Liebenden auseinanderhalten wird.
In jeder romantischen Hollywoodkomödie würde das abgedroschen wirken, aber es ist ein Film vom Meister der lakonischen Tragikomödie. All diese einstudierte Hoffnungslosigkeit kann nicht umhin, komisch zu sein, besonders wenn zwei Kinobesucher Jarmuschs Zombiekomödie mit den Filmen von Robert Bresson und Jean-Luc Godard vergleichen. Gespräche finden hier immer vor Plakaten von Klassikern wie Godards "Elf Uhr nachts" und Viscontis "Rocco und seine Brüder" statt, als wolle uns Kaurismäki daran erinnern, wie nah Ansa und Holappa diesen Meisterwerken eskapistischer Fantasie sind.
Irgendwann taucht ein streunender Hund auf - eine nette Anspielung auf Charlie Chaplin. Kaurismäki spielt bewusst mit dem Kino, vermischt die Filme der Nouvelle Vague mit italienischem Neoliberalismus und Hollywoodstummfilmklassikern, aber auch wenn man diese Filme nicht kennt, ist dieses finnische Märchen sehr leicht zu lieben.
Wie immer hat der Regisseur ein Händchen für die Auswahl von Gesichtern, die unbestreitbar in seine Welt gehören. Ihre ausdruckslosen Gesichtszüge verraten fast nichts, und dennoch sehen wir irgendwie die ganze Bandbreite ihrer Menschlichkeit. Gemeinsames Kaffeetrinken im Stillen, ein ferner Blick aus dem Fenster, eine scharfe Bemerkung, ein Kuss auf die Stirn aus dem Nichts. Humanistisches Filmemachen vom Feinsten.
(S E R V I C E - www.filmladen.at/film/fallen-leaves)