APA - Austria Presse Agentur

Genesis öffnen ihr Konzertarchiv für "BBC Broadcasts"

Ein Jahr nach dem Bühnenabschied von Genesis hat die britische Band alte Konzertmitschnitte aus dem Archiv geholt. Das von Keyboarder Tony Banks gemeinsam mit dem langjährigen Genesis-Toningenieur und Produzenten Nick Davis kuratierte Boxset "BBC Broadcasts" mit fünf CDs stimmt nostalgisch. Viele der über 50 Live-Tracks werden damit am Freitag zum ersten Mal offiziell veröffentlicht.

Als Genesis im März vergangenen Jahres in London ihr allerletztes Konzert spielten, kämpfte Frontmann Phil Collins mit den Emotionen. Zwar scherzte er, Mike Rutherford, Tony Banks und er müssten sich nun "richtige Jobs" suchen. Dann aber offenbarte Collins, der aus gesundheitlichen Gründen im Sitzen auftrat und nicht mehr Schlagzeug spielen konnte, wie nahe ihm der Abschied ging. "Lasst uns weitermachen, bevor mir die Tränen kommen."

Ein Jahr nach dem Ende der "The Last Domino?"-Tour das Boxset unterschiedliche Phasen der einflussreichen britischen Band Revue passieren. Banks und Gitarrist Rutherford waren die einzigen dauerhaften Mitglieder in der langen Historie der 1967 in Surrey gegründeten Band. Gerade zu Beginn wechselte die Besetzung häufig. Collins war noch gar nicht dabei, als Genesis im Juni 1970 in der nächtlichen Sendung "Night Ride" beim Sender BBC Radio 2 auftraten.

Damals war Peter Gabriel der Frontmann und Genesis spielten noch komplexen Progressive Rock. Am Schlagzeug saß John Mayhew. Neben Rutherford spielte Anthony Phillips Gitarre. Die Songs "Shepherd", "Pacidy" und "Let Us Now Make Love" schafften es nie auf ein Album. Umso interessanter sind die leicht rauschigen "Night Ride"-Aufnahmen, die auch im "Genesis Archive 1967–75" enthalten waren.

Mayhew und Phillips verließen Genesis noch im selben Jahr und vor dem kommerziellen Durchbruch. Nach zwei heute in Vergessenheit geratenen Alben saß auf dem dritten Album "Nursery Cryme" erstmals der 20-jährige Collins am Schlagzeug und war auch als Background-Sänger zu hören. Zudem gesellte sich Gitarrenvirtuose Steve Hackett dazu. Ein Mitschnitt des Klassikers "Musical Box" aus Paris, Aufnahmen aus den Radiosendungen "Sounds Of The Seventies" und "BBC in Concert" zeugen von dieser spannenden, frühen Phase des Quintetts.

Nachdem Peter Gabriel die Gruppe 1975 verlassen hatte, wurde Collins zum Sänger befördert. Nach zwei weiteren Alben ging auch Hackett 1977 und Genesis bestand im Studio nur noch aus drei Musikern. Das Trio gab im Juni 1978 vor 60.000 bis 80.000 Zuschauern (je nach Quelle) beim Knebworth Festival eins ihrer bis dato größten Konzerte. Im Boxset zeigen fünf Songs aus Knebworth Genesis in bestechender Form.

Ein legendärer Gig von der "Duke Tour" 1980 aus dem Londoner Lyceum Theatre, der die Basis für den Konzertfilm "Genesis Live in London 1980" war, ist erstmals fast komplett enthalten. Wobei sich die Frage stellt, warum er erneut nicht zu 100 Prozent vollständig ist. Aber "Squonk", "Burning Rope" oder "Dance On A Volcano" - Lieder, die Genesis in den letzten 30 oder 40 Jahren nicht mehr live gespielt haben - sind echte Höhepunkte des neuen Sets.

Während Phil Collins in den 1980er-Jahren als Solokünstler zum Superstar wurde, wandelten sich Genesis zunehmend zu einer Popband. Was Fans der ersten Stunde verschreckte, war kommerziell erfolgreich. 1987 spielten Genesis an vier Abenden hintereinander im ausverkauften Londoner Wembley-Stadion. Der Konzertfilm ist auf DVD erhältlich, in der Box ließen Banks und Davis unter anderem "Abacab" weg.

Zwischen Radio-Hits wie "Throwing It All Away" und "Invisible Touch" blitzen die Progressive-Rock-Ursprünge nur noch gelegentlich auf, etwa im wuchtigen "Domino" oder dem epischen Zweiteiler "Home By The Sea/Second Home By The Sea". Erstmals veröffentlicht werden sechs Tracks, die 1992 beim Knebworth-Festival aufgezeichnet wurden.

1996 verließ Collins Genesis. Rutherford und Banks machten mit Ray Wilson weiter, der hier nur mit den beiden Titeln "Not About Us" und "The Dividing Line" vertreten ist. Obwohl Wilson ein hervorragender Sänger ist, der wie Ex-Gitarrist Steve Hackett bis heute Konzerte mit der Musik von Genesis gibt, konnte er sich nicht durchsetzen. Das Album "Calling All Stations" war kein Erfolg, eine US-Tour wurde wegen schwacher Ticketverkäufe abgesagt. 2000 lösten Banks und Rutherford Genesis auf.

Der Streifzug durch die Genesis-Jahre 1970-1998 ist eine echte Schatzkiste. Zu den fünf CDs gibt es ein Begleitbuch mit Liner-Notes. Zu kritisieren gibt es nur wenig. Schade, dass einige Songs aus Konzerten fehlen, die in voller Länge existieren. Es hätten ja auch ein oder zwei CDs mehr sein können. (Die Triple-LP-Version fällt mit 24 Songs übrigens noch deutlich knapper aus.) Dass zwei Konzerte auf mehrere CDs verteilt wurden, ist ärgerlich, aber zu verschmerzen.

In den Jahren 2007 und 2020 feierten Genesis jeweils ein Comeback als Trio mit Banks, Rutherford und Collins. Ein weiteres wird es wohl leider nicht geben. "BBC Broadcasts" erinnert daran, welch großartige Liveband Genesis waren, und stimmt beim Hören nostalgisch.

(S E R V I C E - https://genesis-music.com)