Glühender Europäer: Autor Robert Menasse wird 70
Auch als Redner, Kommentator und Essayist betont Robert Menasse immer wieder die Bedeutung der Europäischen Union als Friedensprojekt unserer Generation, das mit aller Macht bewahrt und verteidigt werden muss - trotz aller Kritik an ihr. Seinem auf Georg Büchner rekurrierenden Essay "Der Europäische Landbote" (2012) ließ er heuer ein Follow-up mit dem an Stefan Zweig erinnernden Titel "Die Welt von morgen" folgen: ein glühender Appell für ein nachnationales Europa und eine EU-Reform hin zu einer wahrhaft demokratischen Union. "Der Nationalismus hat keine Zukunft. Aber er kann die vorläufige zerstören", warnt Menasse darin.
Robert Menasse wurde am 21. Juni 1954 in Wien geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina. 1980 promovierte er mit dem Thema "Der Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb", 1981 bis 1986 war er Lektor bzw. Gastdozent für österreichische Literatur an der Universität Sao Paulo (Brasilien). Er arbeitete auch als Übersetzer aus dem brasilianischen Portugiesisch. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien ist Menasse freiberuflicher Schriftsteller und wurde schon 1990 erster Träger des Heimito-von-Doderer-Preises.
In Folge wurde der Autor vielfach ausgezeichnet, neben den bereits genannten u. a. mit dem Lion-Feuchtwanger-Preis (2002), dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis (2002), dem Joseph-Breitbach-Preis (2002) dem Erich-Fried-Preis (2003), dem Donauland-Sachbuchpreis (2012), dem Österreichischen Kunstpreis (2012), dem Heinrich-Mann-Preis (2012) und dem Max-Frisch-Preis (2014). Das Preisgeld in der Höhe von 100.000 Schilling (7.267 Euro), das Menasse für den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik 1998 erhielt, verwendete der Autor selbst zur Stiftung eines Preises, nämlich des Jean-Amery-Preises.
Menasses erste Erzählung "Nägelbeißen" erschien 1973 in der Zeitschrift "Neue Wege", sein 1988 erschienener, unter österreichischen und deutschen Emigranten in Brasilien spielender erster Roman "Sinnliche Gewißheit" fand Eingang in seine "Trilogie der Entgeisterung", die mit den Romanen "Selige Zeiten, brüchige Welt" (1991) und "Schubumkehr" (1995) sowie der Nachschrift "Phänomenologie der Entgeisterung" (1995) fortgesetzt wurde. In seinem Roman "Die Vertreibung aus der Hölle" (2001), für den er zeitweise in Amsterdam lebte, verwob der Autor die Geschichte des im 17. Jahrhundert verfolgten Rabbi Menasse mit der Geschichte des im Schatten des Zweiten Weltkriegs lebenden Viktor Abravanel, Menasses Bruder im Geiste. "Don Juan de La Mancha oder die Erziehung der Lust" schilderte 2007 die tragikomische Suche eines modernen Ritters von der traurigen Gestalt nach dem Liebesglück.
Eine Karriere als Dramatiker kam nicht in Schwung: Sein für das Burgtheater geschriebenes "Staatstheater" wurde schließlich 2006 als "Paradies der Ungeliebten" in Darmstadt uraufgeführt, wo drei Jahre später auch das Theaterstück "Doktor Hoechst - Ein Faustspiel" auf die Bühne kam.
Dagegen hatte Menasse als Essayist von Anfang an Erfolg. Mit "Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik" (1990), "Das Land ohne Eigenschaften" (1992), "Dummheit ist machbar" (1999) oder "Das war Österreich" (2005) hat er sich als Kritiker der Zustände in seinem Heimatland mit nahezu allen angelegt. Gegenwart und Vergangenheit, Austrofaschismus und Antisemitismus, Politik und Kultur, Medien- und Finanzpolitik, Demokratiedefizit und Globalisierung sind neben der EU Themen, mit denen sich Menasse in Essays und Kommentaren auseinandersetzt und immer wieder intensive Diskussionen auslöst.
Mit dem 2012 beim Festival Crossing Europe in Linz uraufgeführten Film "Grenzfälle" hat Menasse, dessen Halbschwester Eva ebenfalls als Autorin tätig ist und dessen Gattin Elisabeth Menasse-Wiesbauer 2003-2019 das ZOOM-Kindermuseum in Wien leitete, seine Essays auch ins Filmische geweitet.
Seinen Geburtstag will der in Wien und im Waldviertel wohnende Autor "mit westlichem Zenbuddhismus" verbringen. Der sehe so aus: "Wein, Zigaretten, ein bequemer Fauteuil, zurücklehnen, Augen schließen, bis der Geist so rein und einladend ist wie ein weißes Blatt Papier", erklärte Menasse gegenüber der APA. "Und dann lade ich Freunde ein, mit denen ich feiere, dass wir noch Glück gehabt haben." Denn seine Generation habe Glück gehabt. Ein Glück, das er durch die Rechten und Populisten nun gefährdet sieht.
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