"Wenn du eine Kakerlake tötest", sagt der Vater zu seinem Sohn, "wirf sie nicht in die Toilette. Denk immer daran, dass ihre Eltern sie voller Hoffnung in die Welt hinausgeschickt haben." Dieser spielerische, aber von stillem Kummer gefärbte Austausch ist typisch für "Hit The Road", einem melancholisch-humoresken Film über einen schwierigen Roadtrip, bei dem ein junger Mann aus dem Iran in eine ungewisse Zukunft flieht.
Wir treffen die vierköpfige Familie im geliehenen Auto, in dem sie einen Großteil des Films verbringen wird. Das Auto ist ein wichtiger Schauplatz im iranischen Kino, und so auch hier. Wenn der Mutter das Tuch vom Kopf rutscht oder sie in Anwesenheit von Männern laut einen alten Schlager aus der Zeit vor der Revolution singt, gibt es niemanden, der sie tadelt.
Aber im Inneren des Autos ist nicht alles eitle Wonne. Der Familienhund stirbt auf der Rückbank. Der sechsjährige Sohn (ein großartiger Rayan Sarlak) ist ein "kleiner Scheißer" und doch irgendwie ein niedlicher Freudenbringer. Die Mutter (Pantea Panahiha) ist aufgewühlt und vergräbt ein Handy unter einem Stein. Der Vater (Hassan Madjooni), der abwechselnd lustig, lakonisch und angepisst ist, wurde wegen eines gebrochenen Gipsbeins auf den Rücksitz verbannt. Der ruhigere, ältere Sohn (Amin Simiar) sitzt nervös am Steuer. Erst allmählich erfahren wir den Grund dafür: Sie wollen ihn außer Landes schmuggeln, damit er ein neues Leben beginnen kann.
All dies auf die Kinoleinwand zu bringen, bedeutet natürlich, dass "Hit the Road" im Iran nicht in die Kinos kommt, ein Fluch, der auf der Familie des Regisseurs lastet, der sich nicht als erster kritisch mit seinem Heimatland auseinandersetzt. Sein Vater ist der gefeierte und preisgekrönte Regisseur Jafar Panahi ("Der weiße Ballon"), dem es wegen "Propaganda gegen das System" verboten ist, den Iran zu verlassen und Filme zu drehen und der dafür ins Gefängnis musste. Zum Glück hielt ihn das nicht davon ab, inoffizielle Filme ohne Genehmigung in Autos zu drehen, darunter "Taxi Teheran" (2015) und "Drei Gesichter" (2018).
Der jüngere Panahi hat seine eigene Stimme, aber etwas vom Vater steckt auch im Sohn, und sein Film spielt sich - nicht zuletzt dank der fabelhaften Schauspieler - wie ein grandioses politisches Theaterstück in einem fahrenden Auto ab. Er fängt die Fahrt mit der Linse eines Dokumentarfilmers ein und zeigt auf naturalistische Weise das nur schwer zu beherrschende Chaos einer langen Autofahrt voller Menschen, die sich gegenseitig lieben und gleichzeitig auf die Nerven gehen.
Während die Familie weiterfährt, tauchen andere Reisende aus dem Nebel im Iran auf und verschwinden dann wieder darin. In einem der surrealeren Momente des Films trägt der Vater einen silbernen Isolieranzug, um sich in der Wüste warm zu halten. Es sieht aus wie ein Raumanzug. Er und der kleinere Sohn liegen auf dem Rücken und starren zu den Sternen hinauf. Der Vater erzählt ihm eine absurde Geschichte über die Wartung des Autos von Batman, um ihn abzulenken, und langsam verschwindet das Gras, auf dem sie liegen, vor einem Hintergrund aus Sternen im Weltraum.
Der Film von Panah Panahi ist im Grunde genau das: eine faszinierende, aber auch schwere Reise ins Unbekannte. Irgendwann fragt die Mutter ihren Ältesten nach dem besten Film aller Zeiten, während sie gemeinsam eine Zigarette rauchen. Er antwortet, dass es sich dabei um Stanley Kubricks "2001: Odyssee im Weltraum" handelt. Es beruhigt ihn, sagt er. "Am Ende ist der Held allein in einem Raumschiff und taucht tief in ein schwarzes Loch ein."