APA - Austria Presse Agentur

"Matter out of Place": Nikolaus Geyrhalters Müllbergpredigt

Nikolaus Geyrhalter ist der große Essayist des Bildes, ein Filmemacher, der starke Positionen vertritt, die nicht durch das Wort vermittelt werden. Das ist bei "Matter out of Place" nicht anders. Nach den Festivaleinsätzen in Locarno und bei der Viennale ist das Werk nun ab Freitag im Kino zu sehen. Es ist ein bildgewaltiger, ruhiger Blick auf jene Orte der Erde, die im Müll ersticken - von den Gipfeln der Alpen bis zum Grund des Meeres.

In selbst für seine Verhältnisse (minuten-)langen Plansequenzen zeigt Nikolaus Geyrhalter, der bei "Matter out of Place" auch für die Kameraarbeit verantwortlich zeichnet, Landschaften, die sich von ihrem ursprünglichen Antlitz weit entfernt haben. Der Abfall der Zivilisation ist hier zum bestimmenden Faktor geworden - und somit wird der Titel, der ein nicht an den jeweiligen Ort gehörendes Ding bezeichnet, fast untergraben. Es erscheint, als wäre die Natur vom Müll bereits nicht mehr zu trennen.

In ihrer Wirkmacht sind die Geyrhalter'schen Bilder apokalyptisch und idyllisch zugleich. Der Müll hat sich schon eingegraben in unsere Umwelt. So wirkt es beinahe ästhetisch, wie sich das Plastik an den Ufern eines Bergsees zu Gebilden formt. Und doch kommen die Überbleibsel einer Wegwerfgesellschaft selbstredend nicht immer so ansprechend daher.

Der gebürtige Wiener (Jahrgang 1972) begleitet Strandreiniger in Albanien, filmt Müllsortieranlagen in Österreich, porträtiert Mülltaucher vor Griechenland oder zeigt auf den Malediven, wie Palmenparadies und Müllmoloch scheinbar untrennbar verschmolzen sind. Er rückt eine gigantische Deponie in Nepal ins Bild, in der ein steter, nie abreißender Strom an Nachschub am Dach der Welt gleichsam einen neuen Berg erschafft. Und er zeigt Ausgrabungen in Solothurn, die zeigen, dass unter der vermeintlichen grünen Schweizer Wiese nicht wertvoller Humus, sondern Autoreifen und Plastiksäcke schlummern. Der Müll ist nicht weg. Er ist nur aus dem Blickfeld entschwunden in dieser zugeschütteten Deponie.

Bei aller Tristesse des Sujets fehlt aber auch in "Matter out of Place" nicht das Auge für Skurrilitäten, die Geyrhalters Arbeiten auszeichnen - wenn etwa von der Schweizer Bettmeralp der Müllwagen unter der Gondel hängend abtransportiert wird. Und wenn am Ende das Burning Man Festival in Nevada eine beinahe utopische Gegenwelt schafft, in der die Wüste zum Abschluss der Veranstaltung gleichsam mit dem Besen von allen menschlichen Spuren gereinigt wird.

"Matter out of Place" erklärt dabei wie stets in den Werken von Geyrhalter nichts. Der Film lässt die Situationen für sich stehen und ihre Wirkung entfalten. Es ist ein poetischer Zugang, der den Betrachtenden auf Augenhöhe begegnet und diesen vor Augen führt, wie weit wir bereits den Lauf der Welt mutmaßlich unwiederbringlich verändert haben. So ein Mist.